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Nationalist ist Antifas Liebling

Reflex-Solidarität mit Carles Puigdemont

Von Benno Schirrmeister

Getrennt marschieren, gemeinsam kämpfen: AfD-Gründer Bernd Lucke und die Autonome Antifa Schleswig-Holstein ziehen in Sachen des am 25. März in Schleswig-Holstein inhaftierten katalanischen Nationalistenführers Carles Puigdemont an einem Strang. Die Antifa nämlich scheint dessen neoliberalen, regional-egoistischen Abspaltungsbemühungen als linke Bewegung fürs Selbstbestimmungsrecht der Völker misszuverstehen – eine etwas konstruiert wirkende Deutung in einem Land, dessen Verfassung immerhin per Referendum vom Volk bestätigt wurde.

Den Aktivist*innen von Roter Hilfe und Antifa egal: Sie sind zu Ehren des Gefangenen von Neumünster vor dem dortigen Knast und vorm Kieler Hauptbahnhof aufmarschiert. Reingebeten wurden sie zwar nicht: Dafür durfte sein Gesinnungsgenosse, der rechte Europaabgeordnete Bernd Lucke, den lieben Puigdemont in seiner Zelle besuchen.

Ganz wie die Antifa forderte auch der, den ehemaligen Präsidenten der autonomen Region Katalonien als politischen Gefangenen anzuerkennen. Und obwohl er eigentlich doch dafür plädiert, das Asylrecht auf Frauen und Kinder zu beschränken, würde der Law-and-Order-Politiker beim Separatisten noch einmal eine Ausnahme von seiner Forderung machen, und eine weitere vom geltenden Gesetz. Denn man habe hier „den seltenen Fall, dass EU-Länder möglicherweise keine sicheren Drittstaaten sind“, behauptet Lucke. Eine bizarre Volte, wenn man bedenkt, dass der Hamburger Wirtschaftsprofessor damit das Königreich Spanien meint, das beispielsweise im Demokratie-Index des Economist deutlich bessere Werte, als die USA oder die République Française erreicht.

Ganz zu schweigen von den Westbalkanstaaten, die der Menschenfreund Lucke „umgehend zu sicheren Drittstaaten erklären“ will, um schneller dorthin abschieben zu können. Eine „politische Verfolgung“ gehe nämlich „von dem EU-Land Spanien aus“, behauptet er, so wie auch Rote Hilfe und Antifa in Puigdemont einen politischen Gefangenen sehen. Das ist eine dürftige Begründung, denn am Ende ist Strafrecht immer politisch: Bei allem Formalismus sollten auch die konkreten Ziele eine Rolle spielen. „Wir werden die Invasoren vertreiben“, das ist ein katalanischer Spruch, den Puig­demont oft im Mund führt, wenn er die eigenen Absichten bestimmen soll: ein Klassiker des dumpfen Nationalismus.

Juristisch hingegen wird Schleswigs Oberlandesgericht die Entscheidung zu treffen haben, ob Spaniens Strafverfolgung sich ihr Strafrecht nur zurecht gebogen hat, ob spanische Rebellion und deutscher Hochverrat das Gleiche sind, und ob der Untreue-Vorwurf reicht, um die Auslieferung zu begründen.

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