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Klage gegen LKW-HerstellerBremer Speditionen halten lieber still

Tausende Speditionen gehen gegen das sogenannte LKW-Kartell vor, das sich bei Preisen und Technologien abgesprochen hat. In Bremen ist die Resonanz noch gering.

Teuer eingekauft: Wegen Preisabsprachen haben Speditionen zu viel für LKW bezahlt Foto: dpa

BREMEN taz | Bremen ist eines der großen Logistikzentren in Deutschland – in rund 1.300 Unternehmen arbeiten hier 20.000 Menschen. Und so sind Bremer Speditionen auch besonders betroffen von dem jahrzehntelangen Kartell aus führenden LKW-Herstellern, das 2011 aufflog.

Zwischen 1997 und 2011 haben die Firmen Daimler, MAN, Iveco, DAF und Volvo/Renault sich in Bezug auf Preise und die Einführung neuer Technologien abgesprochen. Dafür sind sie von der EU-Kommission 2016 zu insgesamt knapp 3,7 Milliarden Euro Kartellstrafe verurteilt worden. Lediglich der Hersteller MAN zahlte nichts – er bekam aufgrund einer Kronzeugenregelung einen hundertprozentigen Strafrabatt, weil er als erster über die verbotene Praxis ausgepackt hatte.

Neben der Kartellstrafe kommen auf die Hersteller nun aber auch Schadensersatzforderungen zu: In einem ersten Schritt haben rund 3.200 Fuhrunternehmen Klage gegen die Hersteller eingereicht. Ihr Argument: Über 14 Jahre hätten Speditionen aufgrund der Preisabsprachen zu viel für den Kauf und das Leasing neuer LKW gezahlt.

Sie fordern einen Schadensersatz von insgesamt mindestens 500 Millionen Euro. Unterstützt werden die Speditionen dabei vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der derzeit eine weitere Klage vorbereitet.

Um weitere Speditionen zu ermuntern, sich der Klage anzuschließen, veranstaltet der BGL bundesweit Informationstermine. Die Resonanz darauf ist zumindest in Bremen eher gering: Von 400 eingeladenen Unternehmen meldeten sich 22 an, nur elf davon schickten am Freitag tatsächlich jemanden zum Landesverbands Verkehrsgewerbe Bremen (LVB) in die Überseestadt. „Es ist erschreckend, wie wenige Firmen mitmachen“, sagt Olaf Mittelmann, Geschäftsführer des LVB.

Es ist erschreckend, wie wenige Firmen mitmachen

Olaf Mittelmann, Geschäftsführer des Landesverbands Verkehrsgewerbe Bremen

Die Gründe dafür liegen zwischen Angst, Resignation und Pragmatismus: „Viele fahren hier für Daimler im Werk und wollen ihren Kunden nicht verklagen“, sagt Mittelmann. Andere wiederum sagten sich, als kleine Speditionen hätten sie ohnehin keinen Erfolg. Auch den Aufwand scheuen manche: Bis sie alle erforderlichen Unterlagen herausgesucht hätten, seien sie schon wieder drei Aufträge gefahren – das lohne sich kaum.

In der Tat hängt der Erfolg der Klage davon ab, wie gut die Speditionen den damaligen Kauf noch belegen können: Rechnungen und Fahrgestellnummern der betroffenen LKW müssen dafür noch vorhanden sein. Aufgehoben werden müssen die Unterlagen nur zehn Jahre.

Vielen Firmen fällt es schwer, die nötigen Belege zu liefern. „Wir sind noch ein alter Zettelbetrieb, wir haben die ganzen Ordner noch“, sagt eine Mitarbeiterin der Spedition Mahlstedt aus Delmenhorst, die zu dem BGL-Termin gekommen ist. 120 LKW gehören zur aktuellen Flotte.

Auch Imke Janssen von der Bassumer Spedition Detmers-Janssen rechnet sich Chancen aus: „Zwischen 1997 und 2011 haben wir 25 LKW gekauft und 16 geleast.“ Ein LKW kostet neu ungefähr 70.000 Euro, wenn man von etwa 10 Prozent Schadensersatz pro Fahrzeug plus Zinsen ausgeht, kommt da einiges zusammen.

„Es gibt hier Unternehmen, die bestellen 100 LKW im Jahr“, sagt auch LVB-Geschäftsführer Mittelmann. Natürlich sei das Heraussuchen der Unterlagen und die Eingabe ins Online-Formular aufwendig – aber damit sei es dann für die Unternehmen ja auch getan.

Risiko hoher Prozesskosten

Denn damit nicht jede einzelne Spedition selbst klagen und das Risiko hoher Prozess- und Gutachterkosten tragen muss, hat sich der BGL Verstärkung geholt: Die Speditionen treten ihre Forderungen an den Rechts-Dienstleister Financialright Claims aus Düsseldorf ab, der dann die Klage in eigenem Namen erhebt und vor Gericht von der auf Kartellrecht spezialisierten, internationalen Kanzlei Hausfeld vertreten wird.

Finanziert wird das Ganze wiederum von dem britischen Prozessfinanzierer Burford Capital. Dessen Geschäftsmodell ist es, sich weltweit nach aussichtsreich erscheinenden Rechtsfällen umzusehen und diese dann zu finanzieren – eine satte Rendite gehört dazu.

Im Fall des LKW-Kartells heißt das: Sollte die Klage nach ein paar Jahren erfolgreich sein, erhalten die Speditionen Schadensersatz – und Financialright Claims eine Provision von 32 Prozent. Wird die Klage abgewiesen, erhalten die Speditionen nichts, müssen aber auch nichts zahlen. Das Finanzierungsrisiko liegt komplett bei Financialright Claims beziehungsweise Burford Capital.

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