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Christian Hirte wird Ost-BeauftragterNamenswitze verboten

Ein Thüringer CDU-Abgeordneter wird „Lobbyist für die 16 Millionen Bürger in den neuen Bundesländern“. So bezeichnet er sich zumindest selbst.

Katholisch und streng konservativ: der neue Ost-Beauftragte Christian Hirte Foto: dpa

Wer ist Christian Hirte? Die Server ratterten, als am Montagvormittag bekannt wurde, dass der Thüringer Jurist Hirte neuer Ost-Beauftragter werden soll und nicht der Südbrandenburger Pfarrer Michael Stübgen. Bundestagsinsidern war der Abgeordnete Hirte, der erst Ende Januar zum stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden gekürt wurde, zwar bekannt. Doch sonst hieß es erst einmal nachschlagen, wer da künftig für den sich abgehängt fühlenden Osten sprechen soll.

Nach Iris Gleicke von der SPD kommt also wieder ein Thüringer in ein Amt, dessen Fortführung der Groko-Vertrag zunächst offen gelassen hatte. Der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring hatte sich daraufhin vehement für die Beibehaltung eines Ost-Beauftragten in der Bundesregierung ausgesprochen, zumal es bis zur Nominierung von Franziska Giffey durch die SPD keinen Minister ostdeutscher Herkunft im neuen Bundeskabinett gab.

Mohring dürfte auch hinter der Entscheidung der Kanzlerin stecken, seinen Thüringer Vertrauten zum „Lobbyisten für die 16 Millionen Bürger in den neuen Bundesländern“ zu machen, wie Hirte selber auf seiner Homepage schreibt. Mohring verspricht sich nach eigenem Bekunden von dieser Nominierung auch Rückenwind für die Thüringer Union zu den Landtagswahlen im nächsten Jahr.

Was Hirte für dieses Amt besonders prädestiniert, ist auf den ersten Blick allerdings nicht erkenntlich. Er selber führt die Verankerung in seinem Wahlkreis im Raum Eisenach, den er für den „schönsten Deutschlands“ hält, als förderlich an. Und in seinem Westthüringer Wahlkreis um die Wartburg, in dem er seit 2009 dreimal das Direktmandat gewann, dankt man ihm, dass er Bundesgelder für das Reformationsjubeljahr 2017 akquirieren konnte.

Katholisch und streng konservativ

Im Mai 1976 in Bad Salzungen geboren, blieb Christian Hirte Thüringen auch bei seinem Jura-Studium in Jena treu. Zuvor leistete er 1994 ein Jahr Zivildienst. Als Kind war er noch der Raumfahrt-Romantik in der DDR erlegen und wollte Kosmonaut werden.

Mit dem juristischen Staatsexamen in der Tasche schlug er allerdings eine wesentlich pragmatischere Richtung ein. Beruflich landete der junge Rechtsanwalt in einer Societät mit Hauptsitz in Fulda, lehrte als Spezialist für Wirtschaftsrecht bis 2007 auch an der Hochschule Fulda. Ein Jahr später rückte er in den Bundestag nach.

Die geradlinige Parteilaufbahn begann für Hirte schon beim Eintritt in die Junge Union mit 16 Jahren. Hier übernahm er verschiedene Ämter bis zum stellvertretenden Thüringer JU-Landesvorsitzenden. Nach zahlreichen Funktionen in der Landespartei ist er seit 2014 auch Stellvertreter von Landeschef Mohring.

Hirte ist nicht nur katholisch, sondern gilt auch als streng konservativ. Der Vater dreier Kinder stimmte gegen die Ehe für alle, ist gegen den Familiennachzug für Asylsuchende und für die Beibehaltung des Ärzte-Werbeverbots für Abtreibungen. Nun wird er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wo der Ost-Kummerkasten strukturell angesiedelt ist.

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1 Kommentar

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  • „Lobbyist.. für die 16 Millionen Bürger in den neuen Bundesländern“. Ich bin ja nicht betroffen, aber wenn mich jemand nach 27einhalb Jahren immer noch als Neue bezeichnen würde, käme ich mir total abgehängt vor. Das ist ja wie früher im Dorf als die einzig eingeheiratete Frau noch bei ihrem Tod die Auswärtige war. Nun da

    sie gestorben ist, ist man glücklicherweise wieder unter sich.