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Kommentar italienischer WahlkampfAlle gegen die 5-Sterne-Bewegung

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Glaubt man der Rechten um Silvio Berlusconi und der gemäßigten Linken, dann droht Italien vor allem eine Gefahr: ein Sieg des Movimento5Stelle.

Kein schöner Anblick: Silvio Belusconi am 15. Februar im Fersehstudio von La7 Foto: dpa

I n knapp zwei Wochen wählt Italien sein neues Parlament. Aktuellen Umfragen zufolge in einem Klima absoluter Politikmüdigkeit: 95 Prozent der befragten Italiener misstrauen den Parteien. Doch glaubt man der Rechten um Silvio Berlusconi oder der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) unter Matteo Renzi, dann droht dem Land vor allem eine Gefahr: ein Sieg des Movimento5Stelle (M5S). Die Fünf Sterne seien ebenso unberechenbar wie unfähig, heißt es im Chor.

Und jetzt scheint ein schöner Skandal gefunden, um die junge Bewegung gründlich zu diskreditieren. Wohl ein Dutzend ihrer Abgeordneten haben sich in den letzten Jahren nicht an die parteiinterne Vorgabe gehalten, ein Gutteil ihrer Diäten und Aufwandsentschädigungen zurückzuerstatten und an einen Kreditfonds für Kleinunternehmen abzuführen. Gesetz haben sie keins gebrochen, sie haben bloß das, was die Abgeordneten aller anderen Parteien ganz selbstverständlich kassiert haben, auch in die eigenen Taschen gesteckt.

Doch die anderen triumphieren. „Auch nicht anders als die anderen“ seien die Fünf Sterne, freut sich zum Beispiel Renzi. Ihm entgeht dabei, dass das M5S die Sünder in den eigenen Reihen sofort suspendiert hat. Auf diese Idee kämen weder die PD noch erst recht Berlusconis Forza Italia. Gleich 27 Kandidaten der PD und etwa 50 der Rechten haben Ermittlungsverfahren oder Prozesse laufen, viele von ihnen, weil sie Millionen Euro aus den Fraktionskassen der Regionalparlamente für private Vergnügen zweckentfremdet haben sollen.

Und dann wäre da noch Silvio Berlusconi selbst, der vorbestrafte Steuerbetrüger, der deshalb gar nicht erst zur Wahl antreten darf, aber ganz selbstverständlich seine Partei anführt. Über ihn verliert auch die PD kein Wort mehr.

Dieses Spiel funktioniert, weil die Medien es mitspielen. Zum Beispiel die Tageszeitung La Repubblica, früher mal ein Anti-Berlusconi-Blatt: Tag für Tag hebt sie den vorgeblichen 5-Sterne-Skandal auf die Titelseite, verliert aber über Berlusconi kein Wort mehr. Dem Signore Bunga-Bunga selbst mag das nützen, doch ob es der 5-Sterne-Bewegung schadet, ist mehr als fraglich. Deren Wähler jedenfalls zeigten sich in den letzten Meinungsumfragen unbeeindruckt.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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6 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sind sie ja bei den Populisten ganz gut aufgehoben.

  • Ich weiss ja, wie schwer es der TAZ fällt, von der Hoffnung abzulassen, dass Nichtganzrechte irgendwann wieder die Linken in sich entdecken (siehe Macron, Emmanuel), aber welcher Programmpunkt würde es denn erlauben, angesichts der PD von gemässigten "Linken", statt von Zentristen zu sprechen?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Diese tolle Bewegung diskreditiert sich doch selbst durch ihre Mitgliedschaft in der Fraktion EFDD u.a. mit der AfD, Ukip und den Schwedendemokraten im Europaparlament.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Welcher anderen Fraktion hätten die den aber beitreten sollen?

      Konservativ sind sie nicht, also fällt die EVP aus, genauso wie EKR

      Sozialdemokratisch ebenfalls nicht, also auch keine S&D (deren Mitglieder allerdins auch nicht mehr sozialdemokratisch sind)

      Klassische Liberale nicht, also nix mit ALDE

      Für die ENF sind sie nicht rechtsextrem genug aufgestellt und links oder ökologisch sind sie sowieso nicht

      • @BigRed:

        Verrückte Idee aber vielleicht einfach keiner? Kein Abgeordneter ist gezwungen einer Fraktion beizutreten. Nur mal so am Rande ;-)

        • @Der Epping:

          Wenn man Die Partei ist und nur den Finger in die Wunde legen will, kann man das machen. Ansonsten bedeutet Politik in (angeblich) repräsentativen Parlamenten leider nun mal, dass man Gruppen bilden muss.

          Bernie Sanders ist ja auch im demokratischen Kaukus.