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Comeback der Sozialdemokraten

Die SPD kann wieder Hoffnung schöpfen. Wahlprognosen sehen mehrere Direktkandidaten in Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihren Rivalen von der CDU. Auch das Abschneiden von Christian Ströbele (Grüne) in Friedrichshain-Kreuzberg bleibt ungewiss

VON MATTHIAS LOHRE

Das Rennen um die Berliner Direktmandate wird kurz vor der Bundestagswahl dramatisch. In sieben der zwölf Wahlbezirke liegen die KandidatInnen Kopf an Kopf. Besonders knapp wird es in Friedrichshain-Kreuzberg, Prenzlauer Berg Ost, Neukölln und Spandau.

Der populäre Grüne Christian Ströbele kann sich in Friedrichshain-Kreuzberg nicht darauf verlassen, sein Kunststück aus dem Jahr 2002 zu wiederholen. Damals gewann der heute 66-Jährige als erster Grüner überhaupt ein Direktmandat. Doch die jüngsten Berechnungen des Wahlprognose-Instituts Election.de im Auftrag des Tagesspiegels sehen Ströbele nur zwei Punkte vor der Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer von der Linkspartei. In dem hart umkämpften Wahlbezirk reicht weniger als ein Drittel der WählerInnenstimmen für den Einzug in den Bundestag aus. Denn die SPD mit ihrem türkischstämmigen Kandidaten Ahmet Iyidirli bindet als dritte große Kraft möglicherweise wahlentscheidende Stimmen.

Noch vor wenigen Wochen schien der Vorsprung der CDU-Kandidaten vor ihren SPD-KonkurrentInnen in mehreren Westbezirken uneinholbar. Jetzt sieht das Bild anders aus. „In Westberlin bleibt der Wahlausgang bis zum 18. September offen“, schätzt Election.de-Chef Matthias Moehl. Allein bei den Zweitstimmen legt die SPD in Berlin auf bis zu 30 Prozent zu und lässt die CDU mit 27 Prozent hinter sich. Bei den Erststimmen sieht es ähnlich aus.

In Charlottenburg-Wilmersdorf kann die Amtsinhaberin Petra Merkel (SPD) nach den jüngsten Berechnungen ihren Herausforderer, den CDU-Landesvorsitzenden Ingo Schmitt, schlagen. Im benachbarten Spandau holt der junge Mandatsverteidiger Swen Schulz (SPD) auf. Jetzt liegt er sogar knapp vor seinem CDU-Rivalen Kai Wegner.

In Neukölln liegt der Exregierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) nur noch einen Punkt vor dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ditmar Staffelt (SPD). Für beide geht es bei diesem Duell um ihre politische Karriere: Diepgen ist nicht durch einen Landeslistenplatz abgesichert, Staffelt kann sich nicht auf seinen wackligen Listenplatz 6 verlassen.

Auch in traditionell eher der CDU zugeneigten Bezirken kann sich die Union nicht auf einen sicheren Sieg freuen. Der Unions-Kandidat in Steglitz-Zehlendorf, das Abgeordnetenhaus-Mitglied Karl-Georg Wellmann, liegt nur drei Prozentpunkte vor dem SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Letzterer hatte bereits vor drei Jahren das kleine Wunder vollbracht, den eher konservativen Wahlkreis für die Sozialdemokraten zu gewinnen.

Frank Steffel, vor vier Jahren noch Spitzenkandidat der CDU bei den Abgeordnetenhaus-Wahlen, muss heute allein um seinen Sessel im Bundestag kämpfen. Auf die Landesliste seiner Partei schaffte er es nicht. Im Wahlkreis Reinickendorf liegt Steffel nur vier Prozentpunkte vor Detlef Dzembritzki. Der Ex-SPD-Landeschef sitzt seit sieben Jahren geräuschlos im Bundestag.

Neun Tage vor der Wahl scheint das Rennen nur in fünf Bezirken gelaufen. In Mitte sieht es danach aus, dass Jörg-Otto Spiller, der seit 1994 für die SPD im Bundestag sitzt, dort weitere vier Jahre bleiben kann. Auch in Pankow liegt die SPD mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse klar vor dem jungen Linkspartei-Chef Stefan Liebich.

Alles klar ist in den Linkspartei-Hochburgen. In Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg liegen die Bundestagsabgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch uneinholbar vorn. In Treptow-Köpenick hängt Linkspartei-Spitzenkandidat Gregor Gysi den langjährigen Mandatsinhaber Siegfried Scheffler (SPD) ab.

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