Zu wenig Sportstätten in Berlin: Schon lange vernachlässigt
Der Senat hatte einen Stadtentwicklungsplan für Sportstätten versprochen. Doch den gibt es bislang nicht. Immerhin scheint das Thema jetzt auf der Agenda.
Schade, dass es der Senat über Jahre versäumt hat, sich mit einem Konzept um die Sport-Infrastruktur zu kümmern. Ansonsten hätten sich die Berliner Sportvereine richtig freuen können über die Prognose fürs nächste Jahrzehnt: Einen Einwohnerzuwachs von durchschnittlich 7 Prozent pro Bezirk rechnet die Senatsverwaltung für Inneres und Sport derzeit vor. Und beim momentanen Sport- und Fitness-Wahn stellt die Landesregierung halb zufrieden, halb beängstigt fest, dass das eine gehörig steigende Nachfrage an Sportflächen bedeutet. Flächen, von denen es sowieso viel zu wenige gibt.
„Das Thema ist 15 Jahre lang vernachlässigt worden“, räumt Dennis Buchner, sportpolitischer Sprecher der Berliner SPD, ein. 226 Hallenteile und 121 Großspielfelder fehlen Berlin aktuell laut Senat, berechnet nach einem Soll-Wert von Sportfläche pro Einwohner. „Die Bedarfe sind riesig und werden sich stetig weiterentwickeln“, so Buchner. „Dass wir sie erfüllen können, glaube ich nicht, schon weil vor allem in der urbanen Mitte notwendige landeseigene Flächen Mangelware sind.“
Zwar hat die rot-rot-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen „Stadtentwicklungsplan Bewegung und Sport“ versprochen. Und viele Berliner Vereine äußerten Optimismus und verspürten positive Signale, dass das Thema bei den verantwortlichen Stellen angekommen ist. Aber bislang ist noch kein Entwicklungsplan da.
Für ein großes Sportstättenplanungskonzept könnte es nach den Versäumnissen der Vorjahre zu spät sein. Einzelne Abgeordnete nannten immer wieder das, was man eben so sagt: freie Flächen besser nutzen, mehr Parks für den Sport verwenden. Das kann allenfalls in einzelnen Bezirken helfen und kein Modell für die gesamte Stadt sein.
Parks als Alternativen?
Denn das mit dem Nutzen von Freiflächen – was auch Vereinsvertreter gerne einfordern – ist nicht so einfach. Innerhalb des S-Bahn-Rings ist fast alles verbaut. Wo schon Wohnungsnot herrscht, haben Fußballplätze nicht die höchste Priorität. Auf den bestehenden Anlagen, wo sich Vereine seit Jahren um Trainingszeiten prügeln, ist eigentlich schon jeder freie Meter doppelt und dreifach verteilt. Und ein Park als Alternative mag eine gute Option für ein Volleyballnetz sein, aber organisierter Leistungssport ist zwischen Hundebesitzern, Joggern und Fahrradfahrern nur schwer vorstellbar.
Soll-Wert Nach Angaben des Senats sollen jedem Einwohner in Berlin 1,47 Quadratmeter sogenannte ungedeckte Sportfläche – gemeint sind Sportplätze – und 0,2 Quadratmeter „gedeckte Sportfläche“, also Hallen, zur Verfügung stehen. Aktuell aber sind es nur 1,28 Quadratmeter ungedeckte und 0,17 Quadratmeter gedeckte Sportanlage pro Einwohner. Daraus ergibt sich ein rechnerisches Defizit von 13 Prozent.
Defizit Nach Berechnungen des Senats fehlen aktuell 226 Hallenteile und 121 Großspielfelder. Das bedeutet nicht, dass genau diese Anzahl von Hallen und Feldern errichtet werden muss. Die Angaben sind lediglich eine Art Platzhalter für eine bestimmte Fläche. Ein Hallenteil repräsentiert 405 Quadratmeter, ein Großspielfeld 5.828 Quadratmeter Sportfläche. Ob eher Hallen oder eher Plätze fehlen, kann je nach Bezirk sehr unterschiedlich sein. (asc)
Möglichkeiten gäbe es ausgerechnet da, wo eigentlich schon genug Sportanlagen bestehen: in den Randbezirken. Laut Senat liegt das Ausstattungsdefizit in Berlin sowohl bei den gedeckten Sportanlagen, den Hallen, als auch bei den ungedeckten Anlagen, den Spielfeldern, bei durchschnittlich 13 Prozent.
Die Anlagen aber sind sehr ungleich verteilt. Es gibt Bezirke, die liegen 29 Prozent über dem Berliner Orientierungswert. Und solche, die 51 Prozent darunter liegen. Am schlechtesten versorgt sind seit Langem die zentralen Bezirke wie Mitte, Tempelhof-Schöneberg oder Neukölln. Sportplätze sind das Hauptproblem. Hallen sind häufig an Schulen angeschlossen und deshalb einigermaßen passabel im Stadtgebiet verteilt. In den Randbezirken wäre Platz – aber gerade die brauchen eigentlich nichts mehr.
„Da derzeit das Defizit insgesamt eher ansteigt, sind verstärkte Anstrengungen erforderlich“, ließ der Senat im Januar verlauten. Wie die Anstrengungen konkret aussehen sollen, lässt die Landesregierung offen.
Es geht um Problembegrenzung
Auf die Frage nach Konzepten sagt Buchner: „Es gibt auf Landesebene bislang kein Konzept. Jeder Bezirk macht seins, mal besser, mal schlechter.“ Und: „Ich würde mir wünschen, dass wir bald einen Schritt tun.“
Dieses Jahr soll etwas passieren, so zumindest die Ankündigung. Außerdem will der Senat jetzt die Bezirke dabei unterstützen, mit externer Beratung eigene Lösungen zu finden. Eine sinnvolle Initiative, weil die Gegebenheiten lokal verschieden sind. Mittel und Planungsvorgaben sollen im März vorliegen. Eine ausreichende Versorgung zu schaffen, wäre allerdings ein Wunder. Im Moment geht es nur um Problembegrenzung.
Helfen könnten möglicherweise die geplanten Investitionen in Schulen. Denn wenn man Schulen baut, entstehen ja praktischerweise auch Sporthallen. Allerdings keine (wesentlich dringender benötigten) ungedeckten Anlagen. Bei denen wurstelt immer noch jeder Bezirk vor sich hin. Sinnig wäre es gewesen, Sportanlagen direkt mit Wohnbauprojekten zu koppeln.
Für Investoren gibt es aber bis heute keine Vorgaben oder Verpflichtungen, beim Neubau eine Sportfläche einzuplanen. Glaubt man dem sportpolitischen Sprecher, ist das auch nicht beabsichtigt. „Bei Großprojekten wird eine Sportfläche sowieso mitgedacht. Und bei kleinen Projekten hat der Investor häufig nur ein Grundstück, da macht es keinen Sinn.“
Sanierungsbedarf von 160 Millionen Euro
Das Ergebnis: Für Schulhallen gibt es momentan in Berlin insgesamt 47 Neu- und Umbauprojekte. Für ungedeckte Anlagen sind es ganze drei. Dort läuft man vergeblich der Sanierung alter Sportstätten hinterher. Der Landessportbund (LSB) vermeldet aktuell einen Sanierungsbedarf von 160 Millionen Euro, wofür die Bezirke 18 Millionen Euro im Jahr erhalten. Buchner deutet an, dass der Topf bei Bedarf auch größer werden könnte. „Entscheidend ist die Frage, wie viel die Firmen in Berlin im Moment schaffen können.“
LSB-Präsident Klaus Böger hätte es freilich gern gesehen, wenn die Mittel jetzt schon aufgestockt würden. Von Vereinsvertretern dagegen hört man immer wieder, das Problem bei der Sanierung seien gar nicht so sehr fehlende Mittel – sondern vor allem die Schwierigkeiten, Unternehmen für die Aufträge zu finden. Schlechte oder verspätete Bezahlung habe viele vergrault. Jetzt müssen alte Lasten abgearbeitet werden. Und dann soll ja irgendwann ein Sportentwicklungsplan kommen. Denn die sportbegeisterten Neuen kommen bestimmt.
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