olympic talk: Preisverdächtig soft
Ist das vereinigte koreanische Eishockeyteam reif für den Friedensnobelpreis. Warum nicht? Etliche Schurken waren dafür schon im Gespräch. Und die Ehrung könnte in der heiklen Lage etwas bewirken
Von Markus Völker
Wer wurde nicht schon alles für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen: Donald Trump, Silvio Berlusconi, George W. Bush und auch diese Schurken: Josef Stalin und Benito Mussolini. Sie bekamen den Preis gottlob nicht. Aber dass sie überhaupt nominiert wurden, zeigt, dass der Frieden offensichtlich ein sehr dehnbarer Begriff ist. Nun hat die US-Amerikanerin Angela Ruggiero einen Vorschlag zur Güte gemacht. Die Athletensprecherin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) fände es toll, wenn das vereinigte koreanische Fraueneishockeyteam den Friedensnobelpreis in Oslo entgegennehmen könnte.
Kurz vor den Olympischen Spielen waren 13 nordkoreanische Spielerinnen zum 22 Frauen starken Team Südkoreas dazugestoßen. In der Vorrunde haben sie bislang gegen die Schweiz und Schweden jeweils 0:8 verloren. Am Mittwoch erzielten sie bei der 1:4-Niederlage gegen Japan den ersten Treffer. Sportlich hat die Vereinigung nichts gebracht. Aber zählt nicht allein die Geste, dass Athletinnen aus dem betonkommunistischen Norden und dem turbokapitalistischen Süden gemeinsam den Schläger schwingen? Ruggiero, die früher selbst Eishockey gespielt hat, findet, die Symbolik reiche aus.
Angeblich hat sie viel positive Resonanz für ihre Idee bekommen. „Ich freue mich, dass die Idee so gut angekommen und dass der Dialog über das Thema jetzt in Gang gekommen ist“, hat die viermalige Weltmeisterin in Pyeongchang gesagt. Ruggiero betonte allerdings, das sei ihre persönliche Ansicht. IOC-Sprecher Mark Adams unterstrich, dass das nicht die offizielle Position des Internationalen Olympischen Komitees sei.
Auch wenn sich das IOC aus der Verantwortung stiehlt: Ruggieros Vorstoß liegt nahe. Es hat schon weniger gereicht, um den Preis zu bekommen. Wer erinnert sich noch an Elihu Root (1912), den Autor verschiedener Schiedsverträge, an Nathan Söderblom (1930), der ein Freund der Ökumene war, oder an Norman Borlaug (1970), der irgendwas in der Landwirtschaft verbessert hat.
Es ist halt gar nicht so einfach, die Guten in einer zumeist unguten Welt zu finden, und zwar solche, deren Wirken gewissermaßen global gut, vorbildlich und von Dauer ist. Hinter Nominierungen lauern ja immer Interessen, und oft sind es nicht nur hehre Beweggründe, mit denen Politiker oder Gemeinnützige ins Schaufenster des internationalen Geschehens geschoben werden. Nicht selten werden sie zum Spielball von Strategen, denen eine Nobilitierung ihrer Interessen vorschwebt.
Das ist hier natürlich auch der Fall. Nordkoreas Führer Kim Jong Un hat den sportlichen Prozess der Annäherung propagandistisch ausgeschlachtet. Das hat er geschickt gemacht. Eine nordkoreanische Jubeltruppe, die hier regelmäßig die Ränge entert, wurde von südkoreanischen Fans nicht als Zumutung empfunden, sondern freundlich begrüßt. Auch die gute Leistung des nordkoreanischen Eislaufpaars Tea Ok Ryom und Ju Sik Kim im Kurzprogramm wurde vom südkoreanischen Publikum nett bejubelt. Kim Jong Un hat gezeigt, dass er nicht nur Raketen starten kann, sondern auch über Soft Power verfügt – wenn er denn will. Ob das Mimikry war? Sehr wahrscheinlich.
Es lässt sich allerdings nichts Sicheres über den innerkoreanischen Entspannungsprozess sagen. Während der Olympischen und Paralympischen Spiele herrscht eh ein Moratorium. Solange das olympische Feuer brennt, wird sich Kim ruhig verhalten. Aber dann? Könnten die gegenseitigen Provokationen wieder losgehen, denn auch der Süden muss ja noch seine Militärmanöver mit den USA zu Ende bringen. Viel hängt auch vom Willen Donald Trumps ab. Aber ein Peacemaker Trump ist so wahrscheinlich wie ein freiwilliges Bekenntnis von Kim Jong Un zum demokratischen Sozialismus.
In dieser verzwickten Lage sollte alles willkommen sein, was beide Koreas wieder etwas näher zusammenbringt. Ein Friedensnobelpreis könnte das sein.
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