Claudius Prößer hat sich in Sachen abgeholzter Bäume an der Spree umgehört: Wer radeln will, muss schreddern lassen
Am Schleswiger Ufer in Tiergarten ist die Partymetropole weit weg. Touristen kommen hier am ehesten im Rahmen einer Spree-Schifffahrt nach Charlottenburg vorbei, und auch wenn Zoo und Regierungsviertel nicht weit sind, ist der dicht begrünte Uferstreifen am Rand des Hansaviertels eine richtige Oase. Nicht von ungefähr nennt die Investorengruppe, die nebenan auf dem Gelände des früheren evangelischen Konsistorialgebäudes eine luxuriöse gated community baut, ihr Projekt „OASIS“.
Die Riesenbaustelle ist aber weniger das, was die NachbarInnen dieser Tage wütend macht. Viele von ihnen haben sich in einer Initiative zusammengefunden, eine Website gebaut und eine Onlinepetition gestartet: Es geht um sieben jahrzehntealte Bäume, darunter vier Trauerweiden, die im Januar gefällt wurden. „Den ganzen Tag müssen die Anwohner mitansehen und mitanhören, wie ihre Bäume unter dem Motorsägenlärm und dem Lärm der Schredderer sterben“, lautet die Schilderung auf rettet-das-spreeufer.de. „Es bleiben nur ein paar dicke Stämme zurück, die am übernächsten Tag ebenfalls verschwunden sind.“
Fassungslos und überrumpelt sei man gewesen, heißt es. Und dass man nicht verstehen könne, wieso für einen Radweg – der hier entstehen soll – die lange gewachsene Stadtnatur verschwinden müsse. Und damit nicht genug: Zwölf weitere Bäume seien zum Fällen markiert.
Die Nachfrage bei Bezirk und Senat ergibt: Die Sanierung und Asphaltierung des „Spreeradwegs“ hier befindet sich in der „Ausführungsplanung“. Gebaut wird also noch gar nicht, die Bäume, teilt Dorothee Winden, Sprecherin der Senatsumweltverwaltung, mit, mussten Kampfmitteluntersuchungen weichen, ohne die an dieser Stelle nicht gearbeitet werden könne. Weitere Fällungen seien nicht erforderlich, es würden Bäume nachgepflanzt.
Auch die grüne Umweltstadträtin von Mitte, Sabine Weißler, bestätigt den Radwegausbau, den das Bezirksamt – gefördert mit Landesmitteln – durchführe. Ein Weg für RadfahrerInnen und FußgängerInnen, wie sie betont. Dass die Menschen in der Nachbarschaft genervt sind, kann sie verstehen. Sie sagt aber auch, dass auf die Maßnahme schon im Dezember per Pressemitteilung hingewiesen worden sei.
Anwohner Jan Kawretzke von der Bürgerinitiative wäre lieber an Ort und Stelle informiert worden: „Wer liest denn Bezirksamts-Mitteilungen im Netz? Uns waren diese Pläne nicht präsent.“ Es geht ihm auch nicht bloß um die Bäume: „Wir sind alle für gute Radwege – aber muss man sie an einer solchen Stelle unbedingt asphaltieren? Und muss dafür auf dem schmalen Uferstreifen eine so breite Schneise entstehen?“ Viele der AnwohnerInnen wählten grün, so Kawretzke, und sie erwarteten, dass die Politik sich für den Erhalt von Bäumen und Büschen, auch als Lebensraum für Tiere, einsetze.
Die Initiative macht weiter, sie will jetzt einen Brief an die Abgeordneten schreiben. In einem Punkt gibt Sabine Weißler aber Entwarnung: „Die Markierungen an den Bäumen, die die AnwohnerInnen beobachtet haben, hat irgendein Witzbold angebracht.“
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