Verkauf der HSH Nordbank: Minusgeschäft in Milliardenhöhe
Die HSH Nordbank ist laut Gutachtern noch 643 Millionen Euro wert. Zugleich haften Hamburg und Schleswig-Holstein mit mindestens 13 Milliarden für faule Kredite.
Diese Zahl ist im Geschäftsbericht 2016 enthalten, der nun mit einem Dreivierteljahr Verspätung veröffentlicht wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass potenziellen Käufern diese überaus nützliche Einschätzung nicht auf die Nase gebunden werden sollte.
In dieser Management-Holding verwalten die beiden Bundesländer gemeinsam mit dem Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein ihre Anteile an der HSH in Höhe von 94,9 Prozent. Diese müssen bis Ende Februar auf Geheiß der EU verkauft werden. Nur unter dieser Bedingung hatte die Wettbewerbskommission in Brüssel die Milliardenhilfen der beiden Eignerländer für ihre marode Landesbank genehmigt.
Vor zwei Wochen war aus Insiderkreisen durchgesickert, dass die beiden US-Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers gemeinsam 700 Millionen Euro für die krisengeschüttelte HSH Nordbank bieten würden. Zwei weitere Anbieter, Apollo aus den USA und Socrates Capital aus Großbritannien, seien demnach aus dem Rennen. Hamburg und Schleswig-Holstein führen seitdem mit den beiden Interessenten Verhandlungen über Detailfragen. Flowers ist bereits mit 5,1 Prozent Minderheitsaktionär an der Bank.
Indirekt hatte der HSH-Vorstandsvorsitzende Stefan Ermisch im Mitarbeiter-Magazin der Bank bestätigt, dass es so ein Angebot gibt. Er habe „keinen Zweifel an einer erfolgreichen Privatisierung“. Auch werde in der Bank „ein anderer Wind wehen“, wenn ein New Yorker Finanzinvestor das Sagen habe. „Er wird das Rad nicht neu erfinden, aber das Rad wird sich schneller drehen“, schrieb Ermisch. „Diese neue Situation wird uns fordern, aber sie wird uns auch Spaß machen.“
Die HSH Nordbank AG entstand am 2. Juni 2003 durch die Fusion der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein.
Sie ist seitdem die gemeinsame Landesbank der beiden Bundesländer, die fast 90 Prozent der Anteile halten.
Weitere Eigentümer sind der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein mit 5,85 Prozent und ein Konsortium unter Führung des US-Investors J.C. Flowers & Co. LLC mit 5,1 Prozent.
Nach einer Vorgabe der EU muss die HSH Nordbank bis März 2018 verkauft oder abgewickelt werden – für mindestens einen Euro.
Das Kieler Finanzministerium kann an der verspäteten Veröffentlichung des Geschäftsberichts nichts Ungewöhnliches finden. „Das muss innerhalb eines Jahres geschehen“, sagt Sprecherin Agnes Witte, „diese Frist ist eingehalten worden.“ Dass der Zeitpunkt darauf hindeute, dass Verkauf und Verkaufspreis bereits in trockenen Tüchern sind, will Witte weder bestätigen noch kommentieren. Auch über die auffallende Nähe zwischen gutachterlich ermitteltem Wert und angeblich gebotenem Kaufpreis will sie nicht spekulieren. „Eine gutachterliche Bewertung ist das eine, ein tatsächlich zu erzielender Marktpreis das andere.“
In der weltweiten Finanz- und Schifffahrtskrise ab 2007 stürzte die HSH Nordbank, damals der weltgrößte Finanzierer von Schiffsneubauten, wegen riskanter Kreditgeschäfte ins Bodenlose. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein stehen mit mindestens 13 Milliarden Euro in der Haftung, die Hamburger Linksfraktion hat sogar 27 Milliarden Euro errechnet – ein Verkaufserlös von einer guten halben Milliarde Euro wäre kaum mehr als ein Trostpflaster.
Seit Beginn der Krise ist die Bank um mehr als die Hälfte geschrumpft und beschäftigt jetzt nur noch rund 2.000 Vollzeit-Mitarbeiter. Nach einem Eigentümerwechsel dürften etliche Arbeitsplätze entfallen. Vor allem der neben Hamburg zweite HSH-Sitz in Kiel mit 750 Beschäftigten ist in seinem Fortbestand bedroht: Er dürfte, wenn überhaupt, nur in deutlich reduzierter Form erhalten bleiben.
Dieses Ende mit Schrecken hatte die grüne Finanzministerin Monika Heinold schon im Februar 2017 der taz bestätigt: „Letztendlich entscheidet der künftige Eigentümer über Standorte und Arbeitsplätze“, sagte sie. Das bekräftigte Heinold auch jüngst im NDR: „Die Frage des Standorts ist für uns leider kein Auswahlkriterium.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“