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Die Angst der Bauern vor der Afrikanischen Schweinepest

Krankheit breitet sich aus Osteuropa aus. Schweine müssen getötet werden – ein Desaster für Landwirte

„Der Mensch ist das größte Risiko in der Übertragungskette“

Jens Bülthuis, Tierarzt

Von Ulrike Fokken

Bei den Schweinebauern geht die Angst um: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Schweine in Deutschland die tödliche Afrikanische Schweinepest (ASP) bekommen. Wildschweine stehen dabei im begründeten Verdacht, die Seuche im Laufschritt zu verbreiten und diese an Hausschweine weiterzugeben. In Estland fanden 2014 Jäger das erste Wildschwein mit ASP. Innerhalb von drei Jahren verbreitete sich die Krankheit unter den Wildschweinen im ganzen Baltikum, griff dann auf Hausschweine über, sprang nach Polen über und ist im Winter 2018 an der polnischen Ostseeküste angekommen.

Das Virus könnte also, von Wildschwein zu Wildschwein weitergegeben, irgendwann im Kiefernwald von Usedom auftauchen. „Das braucht Jahre!“, sagt Oliver Keuling vom Institut für Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. „Das Virus verbreitet sich eher durch den Verkehr und den Menschen“, sagt Keuling. „Der Mensch ist das größte Risiko in der Übertragungskette“, schreibt auch der Tierarzt Jens Bülthuis, Mitglied der niedersächsischen Sachverständigengruppe zur Tilgung der ASP bei Wildschweinen, in einer Analyse.

Ein Blick auf die Verbreitungskarten zeigt, dass die ASP seit 2007 von Nordafrika über den Kaukasus und Russland sich über große Distanzen verbreitet hat. Derartige geografischen Sprünge schafft kein Wildschwein, weshalb nur Lastwagen, Handel und Saisonarbeiter als Überträger infrage kommen.

Wenn ein europäisches Schwein mit dem ASP-Virus infiziert ist, stirbt es nach zehn, zwölf Tagen. Einige Tage nach der Ansteckung bekommen die Tiere Fieber, sind abgeschlagen, fressen nicht mehr, haben Durchfall und leiden unter Bindehautentzündungen. Die letzten 24 bis 48 Stunden vor dem Tod liegen die Schweine herum, die Ohren, Beine und der Bauch verfärben sich blau, berichtet Tierarzt Bülthuis.

In Weißrussland hat die Armee schon 2013 mit Hubschraubern und Hunderten Schützen angeblich alle Wildschweine getötet. Wildbiologen in Deutschland bezweifeln das. Wahrscheinlicher ist, dass etliche der Tiere in andere Gebiete, etwa nach Polen, gewandert sind. Dort haben Jäger sechs Tage Sonderurlaub bekommen, um massenhaft Wildschweine zu erlegen. Tschechien hat ein von ASP betroffenes Gebiet gesperrt. Der Handel und Transport mit Wild- und Hausschweinen sind in der Region erlegen. Und so hat jedes Land andere Ideen, wie es die tödliche Krankheit ASP in den Griff bekommen will.

Klar ist, dass ASP nicht von allein verschwindet – weder im Wald noch im Stall. Die betroffenen Gebiete werden daher in allen EU-Ländern gesperrt. Das macht die Seuche zur wirtschaftlichen Gefahr für Schweinemäster. Ihre gesamten Tiere müssen bei einer Ansteckung gekeult und vernichtet werden, die Ställe werden gleich für sechs Monate geschlossen. Zwar sind die Landwirte gegen einen solchen Verlust versichert. Doch niemand zahlt ihnen den Einkommensausfall während der Quarantäne.

„ASP ist ein reines Landwirtschaftsproblem“, sagt Oliver Keuling. Ganze Regionen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern leben von der Schweinezucht und Mast. Da zu Beginn einer ASP-Ansteckung das Tier problemlos verzehrt werden könnte, könnte das Schweinefleisch innerhalb der EU auch gehandelt werden – so der Verbraucher dann noch Schweinefleisch essen möchte. Ein großer Teil der Schweine geht jedoch in die USA, nach Japan und China – und die wollen ganz gewiss kein Schweinefleisch aus ASP-Regionen. Wenn auch nur ein Wildschwein mit ASP in Deutschland gefunden wird, bricht deshalb der Exportmarkt zusammen.

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