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Tauziehen um neue Windräder im NordenWindkraft-Ausbau im Wartestand

Schleswig-Holsteins Jamaika-Koalition kündigt neue Pläne zum Windkraft-Ausbau an. Aber wird damit der derzeit geltende Ausbau-Stopp beendet?

Auf diesen Feldern bei Husum gibt es bereits viele Windräder. Aber wie geht es andernorts weiter? Foto: dpa

HAMBURG taz | Bis zum Sommer will Jamaika für Klarheit sorgen. Zur Jahresmitte werde die schleswig-holsteinische Landesregierung neue Regionalpläne zum Ausbau der Windkraft vorlegen, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Donnerstag im Kieler Landtag. Der zurzeit geltende Ausbaustopp wäre damit jedoch noch nicht vom Tisch, weil dann zunächst die BürgerInnen Einwände erheben dürften. Erst zum Jahresende werde klar sein, ob ein neuerlicher Plan notwendig sei: „Unser Ziel ist eine rechtssichere Planung“, sagte Grote.

Noch bis Ende September gilt ein vom Landtag verhängtes Windrad-Moratorium. Es soll einen Wildwuchs an neuen Anlagen zwischen Nord- und Ostsee verhindern. Gegen die Planung der früheren Koalition aus SPD, Grünen und SSW hatte es rund 6.500 Einwände gegeben. Fällt die Zahl bei den neuen Plänen ähnlich hoch aus, droht eine Verzögerung um ein weiteres Jahr, sagte Grote.

Dadurch aber gerate die Energiewende im Norden ins Stocken, findet die SPD. „Die komplette Überarbeitung der Regionalpläne und der unabsehbare Zeitverzug führen aber zum faktischen Stopp beim Ausbau der Windenergie an Land“, warf der Abgeordnete Thomas Hölck der Regierung vor und fügte höhnisch hinzu: „Jamaika wirkt.“

Die Regierung müsse deshalb „den Abzug der letzten Produktionskapazitäten in der Branche aus Schleswig-Holstein, die ökonomischen Schieflagen vieler Planungsbüros gerade an Westküste und den Verlust von Arbeitsplätzen verantworten“.

Wind weht weiter

Die Zahl der Windenergieanlagen in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.

2017 wurden 1.792 Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamtleistung von 5.333 Megawatt neu gebaut. Das ist im Vergleich zu 2016 eine Steigerung von 15 Prozent, wie der Bundesverband Windenergie und der Maschinenbau-Fachverband VDMA Power Systems am Donnerstag mitteilten.

Zum Jahreswechsel waren demnach 28.675 Windenergieanlagen an Land am Netz. Auch bei Windparks auf See hatte es deutliche Zuwächse gegeben.

Für das laufende Jahr erwarten die Verbände einen Ausbau von rund 3.500 Megawatt.

Schleswig-Holstein will die Windkraft zwar grundsätzlich weiter ausbauen, CDU, Grüne und FDP wollen die Mindestabstände von Windrädern zu geschlossenen Wohnsiedlungen aber von 800 auf 1.000 Meter erhöhen. Dafür müssen neue geeignete Flächen ausgewiesen werden, was auch vor Ort in den jeweiligen Gemeinden für hitzige Debatten sorgt.

Auslöser der Neuplanung ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig. Es hatte im Frühjahr 2015 die Regionalpläne der damaligen Regierung und damit die Ausweisung von Windeignungsgebieten aufgrund verschiedener Rechtsfehler für unwirksam erklärt.

Das Gericht rügte unter anderem, dass von der Ausweisung von Windeignungsflächen von vornherein jene Gemeinden ausgeschlossen wurden, die sich gegen die Windkraftnutzung auf ihrem Gebiet entschieden hatten. Seitdem gilt in Schleswig-Holstein ein Ausbaustopp.

Dennoch habe es 383 Ausnahmegenehmigungen für neue Windräder gegeben, rechnete Grote vor. Es gebe daher „keinen Grund, den Standort Schleswig-Holstein schlechtzureden“. Der Energiepolitiker der Grünen, Bernd Voß, sieht das sogenannte Repowering alter Windräder durch leistungsstärkere Anlagen außerhalb der Vorrangflächen als geeignetes Ziel, die Abstände zu Wohngebieten erhöhen zu können. Die Landesregierung wisse, dass sich das Moratorium nicht ewig verlängern lasse.

Sollte der Ausbaustopp aber über den September hinaus verlängert werden, sieht SSW-Fraktionschef Lars Harms eine Klagewelle von Investoren auf das Land zurollen: „In den Anwaltskanzleien knallen wohl schon die Sektkorken“, vermutet er. Eine Verlängerung des Moratoriums schaffe nur Unsicherheit. Deshalb brauche Schleswig-Holstein eine „belastbare Regionalplanung Wind noch in diesem Jahr“, so Harms. „Dieser Kraftfakt ist alternativlos.“

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