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Dämpfer für Windkraft-Gegner

Ein Gericht untersagt es den Kreisen, ohne Abstimmung mit dem Land großflächig Windräder zu verbieten

Von Sven-Michael Veit

Landkreise können nicht im Alleingang großflächig das Aufstellen von Windkraftanlagen verbieten. Entsprechende Verordnungen des Kreises Dithmarschen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig am Donnerstag für unwirksam erklärt. Der Kreis hatte 2016 mit den Verordnungen ein etwa 29.000 Hektar großes Gebiet für den Landschaftsschutz sichergestellt.

Dithmarschen an der Nordsee möchte weite Teile der platten Marsch frei halten von „einer Überprägung mit technischen Bauwerken, von denen eine visuelle Fernwirkung ausgeht“ – faktisch das Aus für neue Windenergieanlagen. Denn diese würden, so heißt es in der Vorlage des Kreistages, „Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft“ stören.

Der Kreis wollte deshalb mit zwei Verordnungen fast ein Fünftel seiner Fläche als Landschaftsschutzgebiet ausweisen. So etwas aber bleibt nicht ohne Widerspruch an der Westküste, die vom Winde verwöhnt wird wie kein anderer Landstrich in Deutschland.

Drei Betreiber von Windanlagen zogen dagegen vor Gericht. Diese sahen den Erfolg von Genehmigungsanträgen für neue Windkraftanlagen als gefährdet an. In einem Eilverfahren im Oktober bekamen sie vorläufig Recht: Am 27. Oktober setzte das OVG den Vollzug der Verordnungen vorläufig aus, weil diese ohne Zustimmung des Landes Schleswig-Holstein erlassen worden seien.

Wie bereits im Eilverfahren angedeutet, hat das OVG jetzt auch im Hauptsacheverfahren geurteilt, dass ein derart großes Gebiets nicht ohne vorherige Abstimmung mit der Landesplanungsbehörde hätte sichergestellt werden dürfen. Eine reine Information darüber an die Behörde reiche nicht aus.

Bei solchen raumbedeutsamen Vorhaben müsse der Kreis das Land vielmehr förmlich einbeziehen, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Andernfalls stehe zu befürchten, dass die betroffenen Flächen der Landesplanung für Windenergieflächen aufgrund einseitiger Vorgaben entzogen würden.

Auch in anderen Kreisen wird dieses Verfahren aufmerksam beobachtet, dürfte es doch Bedeutung über Dithmarschen hinaus haben. So hat der nördlich angrenzende Landkreis Nordfriesland ebenfalls im Sommer vorigen Jahres vier großflächige Landschaftsräume „einstweilig sichergestellt“, um dort vier neue Landschaftsschutzgebiete auszuweisen.

Anders als im Dithmarscher Fall sind diese vier Räume bislang frei von Windrotoren – und sollen es möglichst auch bleiben. Auch im Kreis Plön an der Ostsee erwägen Politik und Verwaltung ähnlich vorzugehen.

Die Grundlage für dieses Vorgehen hatte das OVG Schleswig selbst geschaffen. 2015 hatte es die damaligen Windkraft-Regionalpläne der Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW gekippt. Seitdem, und erst recht seitdem die neue Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein regiert, werden in Kiel neue Regionalpläne erarbeitet.

Deshalb gilt ein Moratorium beim Windkraft-Ausbau bis mindestens zum 30. September 2018. Diesen juristischen Freiraum versuchen emsige Kreispolitiker zu nutzen, indem sie auf dem Verordnungswege Schutzgebiete schaffen, solange das Moratorium noch gilt.

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