: Hochschul-Trojaner
Stiftungsprofessuren nutzen Unis kurz-, der Wirtschaft langfristig
Wie viel Einfluss nimmt eine Firma auf Forschung und Lehre, wenn sie einer Uni eine Professur stiftet? Darüber wird gestritten, seitdem die taz vor sechs Jahren eine fragwürdige Kooperation zwischen der Deutschen Bank und zwei Berliner Spitzenuniversitäten aufgedeckt hat. Wie ein Blick in die Verträge zeigte, durfte die Bank über die Besetzung von Professuren mitbestimmen und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen absegnen – eine klare Einflussnahme vonseiten des Unternehmens.
Der Vorfall hatte zur Folge, dass der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen Verhaltenskodex für Geldgeber aus der Wirtschaft aufgesetzt hat. Und auch die Hochschulen – wie im aktuellen Fall die TU München – geben mittlerweile häufig vor, bei Stiftungsprofessuren strenge Auflagen zu befolgen.
Ob sich die Kooperationspartner auch immer daran halten, ist fraglich, wie spätere taz-Recherchen zeigen. An der FH Flensburg etwa bezahlten Unternehmen aus der Windenergiebranche zwei Professuren – und durften ihre eigenen Gelder selber verteilen. Und eine dem Pharmakonzern Boehringer Ingelheim nahe Stiftung machte zur Bedingung für ihre Millionenspende an die Uni Mainz, dass sie bei der Berufung der Professuren am finanzierten Institut mitentscheiden darf. Mittlerweile hat die Uni Fehler eingeräumt.
Der entscheidende Punkt ist aber: Auch wenn die Stifter den Professoren und Fakultäten nicht dreinreden, beeinflussen sie, was an deutschen Hochschulen gelehrt wird. Das liegt daran, dass die meisten Stifter die Professur nur für fünf Jahre finanzieren. Danach soll die Uni sie weiterbezahlen. Das heißt, der Staat übernimmt die Kosten für ein oft sehr spezifisches Forschungsfeld. Und das liegt siebenmal häufiger in den Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften als in Geisteswissenschaften. Von den derzeit rund 1.000 Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen sind die meisten also an wirtschaftsnahen Instituten angesiedelt.
Mit jeder Stiftungsprofessur aber, die in das Unibudget übernommen wird, darf eine bestehende Professur nicht nachbesetzt werden. Das trifft oft sogenannte Orchideenfächer, die den Unis wenig Studierende und so gut wie keine Drittmittel bringen. Die aber spielen für die Unis eine zunehmend wichtige Rolle. Zwischen 2005 und 2015 haben sich die privaten Hochschulzuwendungen auf 7,4 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Oder anders formuliert: Jeden dritten Euro nehmen die Hochschulen heute selber ein.
Stiftungsprofessuren sind somit für Unis doppelt lukrativ: Sie entlasten das Budget, und sie fördern Fachbereiche, die der Wirtschaft nahestehen – und damit möglicherweise weitere Drittmittel generieren. Ralf Pauli
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