Müllbilanz nach Silvester: Nur gefühlt war’s weniger Dreck
Was glauben Sie: Gab es dieses Mal weniger Pyro-Müll auf den Straßen? Und ist der Verbrauch von Weihnachtsbäumen eigentlich ein ökologisches No-Go?
Dass früher mehr Lametta war, ist mittlerweile ein alter Hut. Neu hingegen ist die semiprofessionelle Feststellung: Früher war mehr Müll. Silvestermüll, um genau zu sein. An den ersten Arbeitstagen des neuen Jahres brachten gleich mehrere KollegInnen eine erstaunliche Beobachtung mit in die Redaktion: Musste man sich an vorangegangenen Neujahrstagen den Weg durch Tonnen aufgeweichter Böllerleichen bahnen, lagen die Straßen 2018 quasi unberührt da, makellos wie ein frisch gestärktes Hemd.
Okay, das war jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber glaubt man den wahren Profis – denen von der Berliner Stadtreinigung (BSR) –, ist an der Mär vom sauberen neuen Jahr sowieso nichts dran. „Wir können da keine exakten Erhebungen anstellen“, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler, „aber gefühlt war es genauso viel wie in den vergangenen Jahren.“ Wer das Gegenteil behaupte, habe eben nicht den Blick aufs große ganze Berlin, sondern nur auf einen kleinen Ausschnitt.
Thümler zufolge hat die BSR am 1. 1. wie jedes Jahr mit 600 MitarbeiterInnen nur die gröbsten Zumutungen entfernt, etwa rund um die Straße des 17. Juni – damit die Teilnehmenden des Neujahrslaufs trittsicher unterwegs sein konnten – oder auf, nun ja, Brennpunkten wie der Schönhauser Allee. Seit Dienstag ist die BSR wieder in der gewohnten Stärke von 1.600 Reinigungspersonen unterwegs.
Vielleicht lag die vermeintliche Silvester-Singularität ja an den ausgesprochen kehrfreundlichen Witterungsbedingungen: kein Schnee und keine Eiskrusten, kein Granulat und auch kein Dauerregen, die die pyrotechnischen Abfälle wie so oft in ein schmutzigbuntes, zähes Sediment verwandelt hätten. Was im Übrigen, wirtschaftlich und ästhetisch betrachtet, ein Argument dafür wäre, den Jahreswechsel im Sommer zu feiern. Andere können das ja auch, zum Beispiel in Australien.
Aber jetzt steht erst einmal der zweite Schub Feiermüll vor der Tür, und zwar bald ganz buchstäblich: geschätzt 350.000 Weihnachtsbäume, die ihre Schuldigkeit als Kerzenhalter und Geschenkablage-Überwölbung getan haben. Wie jedes Jahr bittet die BSR darum, die vertrockneten Gewächse am Straßenrand zu platzieren, und zwar ausschließlich am Vorabend oder dem frühen Morgen der im Netz veröffentlichten Abholtermine. Wie man hört, ist die Disziplin da noch steigerbar.
Zu guter Letzt ein Fun-Fact für alle, die es für ein ökologisches Desaster halten, dass Jahr für Jahr so viele Tännchen ein so frühes Ende finden: Die BSR häckselt deren sterbliche Überreste und führt sie Biomasse-Heizkraftwerken zu. Rein rechnerisch kommen mit den so erzeugten Mengen an Strom und Wärme 500 Haushalte über das Jahr. Im Grunde ist das alles eine rituell erweiterte Variante der Kurzumtriebsplantage, bei der schnell wachsende Bäume verhackschnitzelt und mit einer guten Ökobilanz verheizt werden. Darauf einen doppelten Eierlikör!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!