„Krawall-Barbie“ noch unter 18

Dass ein einziger Amtsrichter die G20-Fahndung pauschal abgesegnet haben soll, entpuppt sich als Medien-Ente. Die öffentliche Fahndung nach Minderjährigen aber bleibt ein juristisches Problem

14 Gesuchte konnten aufgrund der Fahndung identifiziert werden, vier von ihnen haben sich selbst gestellt

Von Marco Carini

Auch über die Feiertage ging die Hamburger Öffentlichkeitsfahndung nach G20-Straftätern unvermindert weiter. Nach Angaben von Polizei-Sprecher Ulf Wundrack gingen bis Mittwoch 223 Hinweise auf die insgesamt 107 gesuchten Personen ein. 14 Gesuchte konnten aufgrund der Fahndung identifiziert werden. Vier von ihnen haben sich selbst gestellt.

Mit der Identifizierung von 14 Tatverdächtigen ist die Fahndungsmaßnahme aus Sicht der Polizei erfolgreich – auch wenn sich die kritischen Stimmen mehren. So forderte der justizpolitische Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Martin Dolzer, am Dienstag, die „G20-Öffentlichkeitsfahndung sofort zu beenden“.

Dolzer bezog sich dabei auf zwei Berichte des Deutschlandfunks und der Jungen Welt – wonach ein einziger Amtsrichter ohne genaue Einzelfallprüfung die 107 Gesuchten zur Öffentlichkeitsfahndung freigegeben haben soll – und kritisierte diese Praxis als „unverantwortlich“ sowie rechtlich mehr als fragwürdig. Denn eine Öffentlichkeitsfahndung darf laut Strafprozessordnung nur als letztes Fahndungsmittel und bei besonders bedeutsamen Straftaten angewendet werden.

„Die Darstellung in diesen Medien war falsch“, entgegnet Gerichtssprecher André Buchholz. Jeder Einzelfall sei vor der Ausschreibung zur Fahndung geprüft worden. Verschiedene Richter hätten die Prüfung durchgeführt.

Ob alle acht für solche Entscheidungen zuständigen Richter in das Verfahren involviert waren, konnte Buchholz jedoch nicht beantworten. Das will Dolzer, der sich, wie er sagt, auf die Darstellung in den Medien verlassen hat, nun mit einer Schriftlichen Kleinen Anfrage an den Senat in Erfahrung bringen.

Nicht entkräften konnten Polizei und Gerichte allerdings eine andere Kritik Dolzers: „dass selbst der Schutzgedanke des Jugendstrafrechts bei der Genehmigung der Öffentlichkeitsfahndung nicht beachtet wurde“.

Kurz vor Weihnachten war bekannt geworden, dass die Tatverdächtige, die die Bild als „Krawall-Barbie“ bezeichnete und auf ihre Titelseite hob, erst 17 Jahre alt ist. Auch diverse andere zur Fahndung ausgeschriebene Tatverdächtige dürften minderjährig sein.

„Im konkreten Fall war das Alter der Beschuldigten zwar nicht bekannt und auch nicht erkennbar, die Durchführung einer Öffentlichkeitsfahndung ist aber auch bei jugendlichen und heranwachsenden Tätern zulässig“, rechtfertigte inzwischen ein Sprecher der Polizei deren Vorgehen.

Auf der Branchenwebsite Meedia stellte der Kölner Medienrechts-Experte Ralf Höcker allerdings fest, dass bei Minderjährigen strengere Fahndungs-Voraussetzungen gälten, „da sie besonders geschützt sind“. Es sei zwar nicht so, dass die Polizei eine 17-Jährige auf gar keinen Fall per Öffentlichkeitsfahndung suchen dürfe. Aber es sollte schon „eine schwere Straftat vorliegen und es sollte auch ziemlich klar sein, dass die Betroffene schuldig ist“.