piwik no script img

Mädchenrechte im IrakEin großer Erfolg für die Frauen

Das Parlament in Iraks Hauptstadt Bagdad lehnt die Ehe für achtjährige Mädchen ab. Das ist eine Niederlage für die religiösen Parteien.

Diese irakische Braut ist immerhin 19 Jahre alt Foto: AP

Kairo taz | Es ist ein Erfolg der irakischen Frauenrechtlerinnen. Das Parlament in Bagdad hat einen von schiitischen religiösen Parteien eingebrachten Gesetzentwurf abgelehnt, laut dem Mädchen bereits im Alter von acht Jahren verheiratet hätten werden können. Gemäß dem Entwurf hätten nur Geistliche das Recht erhalten, über Ehe, Scheidung und Erbschaft zu bestimmen. Nun bleibt aber alles beim Alten: das Familienrecht bleibt einzig und allein Sache der Gerichte und das gesetzliche Mindestheiratsalter liegt weiterhin bei 18 Jahren Jahren.

„Im Moment gilt im Irak ein Gesetz, in dem alle Frauen gleichbehandelt werden, egal welcher Konfession sie angehören. Dieser neue Versuch, das zu ändern, hätte den Frauen allen Schutz genommen“, erklärt die Irakerin Balqis Wille, die für die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch arbeitet, der taz. „Das Recht, darüber zu bestimmen, wie mit Ehe Scheidung und Erbschaft umgegangen wird, hätte einzig und allein bei den Geistlichen gelegen. Die jeweilige religiöse Gruppierung hätte dann über all diese wichtigen Dinge das Sagen gehabt“, erläutert sie die Intention des Gesetzentwurfes.

Das hätte vor allem katastrophale Folgen für das Mindestheiratsalter von Mädchen gehabt. „Es gibt einige religiöse Gruppierungen im Irak, die religiöse Texte so interpretieren, dass das Heiratsalter für Mädchen schon bei acht Jahren liegen kann. Es gibt sogar Geistliche, die sagen, die Mädchen können schon mit zwei Jahren verheiratet werden, dürften aber keine sexuelle Beziehung mit ihrem Ehemann haben, bis sie neun Jahre alt sind. Diese Gesetzesnovelle hätte den Scheichs das Recht gegeben, derartiges zu entscheiden“, schildert Wille.

Der eingebrachte Entwurf fand auch Unterstützung in einigen konservativen sunnitischen Kreisen. „Was vielen der konservativen Geistlichen gefällt ist, dass sie mehr Autoritä und Kompetenzen bekommen hätten, die derzeit bei den Gerichten liegen. Das ist der Grund, warum die Initiative von vielen religiösen begrüßt worden war“, sagt Wille.

Langer Kampf gegen den Gesetzesentwurf

Irakische Frauenrechtlerinnen hatten monatelang gegen den Gesetzentwurf im irakischen Parlament Lobbyarbeit betrieben. „Unserem Parlament wurden während der Debatte Statistiken vorgelegt, die zeigen, dass diejenigen, die unter 18 geheiratet haben, eine Scheidungsrate von über 80 % haben. Was denkt ihr also wird passieren, wenn wir einigen der Fatwas folgen und neunjährige Mädchen verheiraten. Wie können wir so eine gesunde Gesellschaft haben?“, argumentiert die Parlamentarierin Shirouk Al-Abayachi, die gegen den Gesetzesentwurf mobilisiert hatte.

Tatsächlich verheiraten einige konservative Familien schon jetzt ihre Töchter frühzeitig, aber ohne die Ehen gesetzlich zu registrieren. „Es gibt eine Menge Familien, die ihre Kinder nur innerhalb der religiösen Strukturen verheiraten. Die registrieren diese eben einfach nicht vor Gericht“, beschreibt die Menschenrechtlerin Wille eine im Irak weitverbreitete Praxis.

„Damit gehen eine Menge Probleme einher. Das größte ist, wenn diese Ehen dann Kinder hervorbringen. Die Kinder erhalten dann keinen Personalausweis, das heißt, dass diese Kinder keinen Zugang zu Bildung und kein Recht auf Sozialhilfe haben“, sagt sie. Laut einem Unicef-Bericht vom vergangenen Jahr wurden fünf Prozent der irakischen Kinder unter 15 Jahren nur von Geistlichen verheiratet. Das gilt auch für fast ein Viertel der Kinder unter 18.

Zumindest diesmal war der Abwehrkampf der irakischen Frauenrechtlerinnen von Erfolg gekrönt. Die Initiative der konservativen religiösen Parteien wurde abgeschmettert. Nun arbeiten die Frauenrechtlerinnen an ihrem eigenen Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt. Erstmals sollen damit im Irak mit staatlicher Finanzierung Frauenhäuser geschaffen werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • und sofort formte sich eine lange schlange fuer 9 jaehrige.

  • Eine Gesellschaft, welche sich vernünftig entwickeln und sich aus Krieg und Elend befreien will braucht Menschenrechte auch für Kinder.

  • Warum erhalten Kinder keinen Perso, nur weil die Mutter nicht verheiratet ist?