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Globale Finanzkonzerne scheffeln weiter Kohle

Angeblich wollen sie aus den Fossilen aussteigen. Doch vor dem Klimagipfel in Paris veröffentliche Studien zeigen, wie Investoren die Erderwärmung anheizen

„Ein Riesenschritt in Richtung Klimakatastrophe“

Heffa Schücking, Urgewald-Direktorin

Von Kai Schöneberg

Die Wirtschaft macht endlich mit beim Kampf gegen den Klimawandel – aber leider längst nicht alle. Das zeigten am Tag vor dem großen Klimagipfel in Paris präsentierte Studien über die weltweiten Milliardeninvestments in fossile Energien. Während sich ab dem heutigen Dienstag in der französischen Hauptstadt 50 Staats- und Regierungschefs und 4.000 Teilnehmer erneut zu Klimaberatungen treffen, zeigen zwei Analysen von Umweltorganisationen aus der ganzen Welt, wie stark Banken und Investoren die Klimaschutzziele der Pariser Vereinbarung von 2015 untergraben. In Deutschland war die Organisation Urgewald an den Untersuchungen beteiligt.

Auch die Finanzbranche hat angeblich in den vergangenen Jahren versucht, verantwortungsvoller in Sachen Erderwärmung zu agieren. So machen sich inzwischen 150 Fonds, Versicherungen oder Vermögensverwalter in der Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC) gegen den Klimawandel stark. Mit dabei: die Versicherer Allianz und Axa oder die Großbank HSBC.

Wer die NGO-Analysen studiert, könnte vermuten, bei IIGCC handele es sich nur um eine PR-Veranstaltungen: Allein in den vergangenen zwei Jahren nach der Pariser Klimakonferenz haben Banken weltweit den 120 wichtigsten Entwicklern von Kohlekraftwerken 275 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt – und so die Erreichung des Klimaziels torpediert. Die Berichte belegen, dass Großbanken zwischen Januar 2014 und September 2017 diesen wichtigsten Kohlekraftwerksentwicklern insgesamt 630 Milliarden Dollar geliehen haben. Institutionelle Investoren haben derzeit fast 140 Milliarden Dollar in dieselben Unternehmen gesteckt. Und: Die Konzerne der IIGCC-Initiative sind reihenweise vertreten. Europas größter Versicherungskonzern, Allianz, hat in 40 fossile Firmen mit insgesamt 1,3 Milliarden Dollar investiert. Der weltgrößte Vermögensverwalter, der US-Finanzkonzern Blackrock, hat gar in 52 Kohlekraftwerksentwickler 11,5 Milliarden Dollar angelegt. Diese Investitionen bedeuteten „einen Riesenschritt in Richtung Klimakatastrophe“, sagt Urgewald-Direktorin Heffa Schücking. Die Firmen seien insgesamt für Kohleausbaupläne in Höhe von 340.000 Megawatt verantwortlich – das entspricht allen Kohlekraftwerken in Indien, Japan, Südkorea und Russland.

Die Banken und Investoren der 120 wichtigsten Entwickler von Kohlekraftwerken sind derzeit für zwei Drittel der global geplanten Kohlekraftwerke verantwortlich: eine Kapazität von 550.000 Megawatt – so viel wie alle Kohlekraftwerke in Indien, USA und Deutschland. Chinesische und japanische Banken vergaben gut zwei Drittel des Gesamtbetrags.

Aber auch die Europäer mischen kräftig bei schmutzigen Investments mit, und zwar vor allem mit einer Umleitung der Mittel: Während immer mehr westliche Banken die direkte Finanzierung von Kohleprojekten einschränken, setzen sie offenbar gleichzeitig die Finanzierung der dafür verantwortlichen Firmen fort. Fast die Hälfte der größten 20 Kreditgeber für Kohlekraftwerksentwickler sind westliche Banken wie ING, Citi, Société Générale, HSBC und Deutsche Bank.

Es gibt offenbar auch Konzerne, die den Klimawandel ernst nehmen. Am Montag forderte ein Bündnis von mehr als 50 internationalen Unternehmen mehr Engagement. Mit dabei: Adidas, Unilever, H&M, Michelin, Philips, Puma und Virgin bekräftigten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Absicht, den Klimawandel „im Rahmen unserer geschäftlichen Tätigkeiten“ zu bekämpfen. Zugleich fordern sie Bedingungen, „die uns einen aktiven Beitrag zur Verwirklichung dieses Ziels ermöglichen.“

Mit dem „One Planet Summit“ will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ab Dienstag ein Zeichen gegen US-Präsident Donald Trump setzen, der aus dem Klimavertrag aussteigen will. Die Liste der prominenten US-Gäste ist lang: Unter anderem werden Bill Gates, Arnold Schwarzenegger, Leo DiCaprio und Michael Bloomberg in Paris erwartet.

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