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Transformation der GesellschaftSoziale Schieflage

Zur Nachhaltigkeit gehört mehr als Ökologie. Das Potsdamer Institut IASS will verstärkt soziale Aspekte der Transformation untersuchen.

Die Lasten der Energiewende sind nach Meinung vieler Befragter ungleich verteilt Foto: dpa

Berlin taz | Nachhaltigkeit ist mehr als Ökologie, auch wenn der Begriff ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt. Heute wird darunter ein Dreiklang aus Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft verstanden. Erst ihr Zusammenwirken kann eine Zukunft innerhalb der „planetaren Grenzen“ ermöglichen. Derzeit verstärkt das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam seine Aktivitäten, um dem Aspekt der „sozialen Nachhaltigkeit“ mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, unter anderem mit zwei Veranstaltungen in diesem Monat.

Wie sehr die Wissenschaft durch die globalen Veränderungen herausgefordert ist, verdeutlichte IASS-Chef Ortwin Renn auf einem gemeinsamen Symposium mit dem Institut für Sozialökologie (ISÖ) im Rahmen der Berlin Science Week. Die Entwicklung der Welt sei gegenwärtig von drei großen Transformationen geprägt: Globalisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Es komme mehr denn je darauf an, die Wechselwirkungen zwischen diesen Megatrends zu betrachten, auch um negativen Auswirkungen begegnen zu können.

„Das ist eine spannende Frage, die sich in der wissenschaftlichen Literatur selten wiederfindet“, sagte Renn. Dies gelte vor allem für die „damit verbundenen sozialen Konsequenzen“, ausgelöst durch Globalisierung und Digitalisierung. Beispiele dafür sind die Renationalisierung, „Zurück zur Heimat“-Nostalgien oder die klimapolitische Verweigerungshaltung „Kohle – jetzt erst recht!“

ISÖ-Leiter Michael Opielka stellte auf der Tagung sein Konzept vor, die Binnenlogik des Wohlfahrtsstaats auf „soziale Nachhaltigkeit“ umzustellen und ihn damit „vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Ziel sei eine „neue Internalisierungsgesellschaft, die mit dem auskommt, was sie hat“. Das Konzept der „Suffizienz“ setzt nicht auf „mehr“, sondern auf „besser“. Die Idee des Grundeinkommens, so Opielka, spiele dabei eine wichtige Rolle.

„Soziales Nachhaltigkeitsbarometer“

Ein neues Instrument, um soziale Nachhaltigkeit besser als bisher sozialwissenschaftlich zu messen, präsentierte das IASS in der vorigen Woche: das erstmals erstellte „Soziale Nachhaltigkeitsbarometer zur Energiewende“. Danach wird von 88 Prozent der deutschen Bevölkerung die Energiewende grundsätzlich befürwortet. Allerdings nehmen rund zwei Drittel der Deutschen eine „soziale Schieflage“ der Energiewende wahr. Über 65 Prozent sind der Meinung, dass die kleinen Leute die Kosten der Energiewende tragen, während Unternehmen und Wohlhabendere eher davon profitieren.

„Energiepolitische Maßnahmen sollten stärker auf ihre soziale Verträglichkeit abgeklopft und einkommensschwache Haushalte gezielt unterstützt werden“, lautete der Schluss von IASS-Leiter Ortwin Renn.

„Ein überraschendes Ergebnis für uns war, dass der Kohleausstieg eine ähnlich hohe Zustimmung erhält wie der Atomausstieg“, hob IASS-Wissenschaftlerin Daniela Setton hervor. Die Daten beruhen auf einer jährlichen Panelbefragung von 7.500 Haushalten, die das IASS mit dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Forsa durchgeführt hat.

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9 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da hab ich jetzt gedacht, es geht um die soziale Frage, aber dafür wird hier zu viel offen gelassen. Soziale Nachhaltigkeit, heißt dann doch, eine Unterschicht zu nachhaltig zu erzeugen, damit der Kapitalsmus nachhaltig wird und diese Unterschicht mit Almosen bei Laune zu halten, während reiche Menschen weiterhin die Mehrheit der Ressourcen verbrauchen und das irdische wie soziale Klima mit ihrer Vergeudung schädigen. Wirklich nachhaltig kann keine Wirtschaftsordnung sein, bei der beständig der soziale Wohlstand von 'unten' nach 'oben' umverteilt wird.

    Nachhaltig wäre es, zu verhindern, dass Menschen überhaupt so viel Macht bekommen, um mit ihren Millionen oder Milliarden Politik und Gesellschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen, in ihrer Rolle als Verleger*innen oder Stiftungsgründer*innen, als Parteispender*innen oder gleich als Kriminelle, die ein Schmiergeld bezahlen oder die in der legalen Kriminalität mit einem guten Job nach oder während der Politikkarriere winken.

    Syndikalismus ist die nachhaltigste Form der sozialen Organisation der Arbeit, die es meiner Auffassung nach gibt.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Kommunistischer Anarchismus ist also die lösung aller Probleme.

      Umverteilen, Enteignen ist gerecht ?

      Es würde reichen die grundlegenden Fehler in unserem System zu ändern d.h. Regulierung der Finanzmärkte ( hatten wir bis 2004, bis RG die Märkte freigab), Steuersystem: für in Deutschland konsumierte Produkte wird in Deutschland Steuer fällig, gleichgültig wo ein Firmensitz ist.

      Steuerverschwendungen begrenzen, Politiker bei groben Verstößen (BER) haftbar machen, und auch realistisch bleiben was möglich ist z.B. Flüchtlingsfrage

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Günter Witte:

        Wo wird jemand enteignet, wenn das Eigentum an den Produktionsmitteln geteilt wird?

         

        Aus Sicht der Ideologie:

        Im Kapitalismus als Ideologie wird der gesellschaftliche Wohlstand umverteilt von arm nach reich. Dabei werden die Lohnabhängigen daran gehindert, sich die Produkte ihrer Arbeit selbst anzueignen. Sie werden enteignet durch die Kapitalinhaber.

        Im real existierenden Kommunimus als Ideologie wurden die Arbeiter*innen vom Staat enteignet, um eine Planwirtschaft aufzubauen.

         

        Von Seiten der gesellschaftlichen Produktion sind sowohl der Kapitalismus als der real existierende Kommunismus eine kapitalistische Produktionsform. In beiden Systemen gibt es Banken, Geld und Kredite, nur dass der Staat (fast) der einzige Akteur auf dem Markt ist im Kommunismus.

         

        Das ist auch im Syndikalismus nicht anders. Das ist kein Anarchokommunismus. Es geht nicht um den Kollektivismus des Eigentums an Produktionsmitteln, sondern um eine gerechte Verteilung und außerdem um wirkliche Teilhabe in der betrieblichen Entscheidungsfindung, soweit das möglich ist, was beinhaltet, dass Wissenshierarchien abgebaut werden sollen.

         

        Syndikalismus nach meinem Verständnis ist auch eine kapitalistische Produktionsform, auch da gibt es Banken, Geld und Kredite. Anders als im Kapitalismus gäbe es aber keine Privatbanken, sondern nur demokratisch kontrollierte Sozialbanken, also Stiftungsbanken.

         

        Ich habe nur von Syndikalismus als Wirtschaftsform geschrieben, weil die Anti-Staat-Ideologie widersprüchlich ist. Auch im sogenannten Anarchismus gibt es einen gesellschaftlichen Status Quo und Institutionen die ihn durchsetzen. Aus Erfahrung lernt doch (fast) jede*r Anarchist*in ganz schnell, dass es eine Utopie ist, Hierarchien ganz abzuschaffen.

         

        Ein Blick nach Rojava zeigt auch, dass Anarchismus als realistische gesellschaftliche Organisationsform letzlich als ein radikaldemokratischer Minarchismus (als minimale Herrschaft) gedacht ist.

        Ich denke Syndikalismus demokratisch, mit Steuern und Grundeinkommen.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          "Umverteilen, Enteignen ist gerecht ? " schreiben Sie, Herr Witte.

           

          Nein und Ja.

           

          Erstmal das Nein:

          In den gegenwärtigen Bedingungen werden Lohnabhängige permanent enteignet, durch diejenigen, die sich die Profite aus dem Verkauf der Produkte deren Arbeitskraft aneignen. Das ist eine Umverteilung von 'unten' nach 'oben'. Es gibt drei Möglichkeiten damit umzugehen:

          1. Fatalismus - es ist eben so.

          2. Die Umverteilung von arm nach reich zu versuchen zu korrigieren mit einer Zurück-Umverteilung von reich nach arm. Der sozialdemokratische Ansatz. Er hat historisch gesehen zur jetzigen Misere geführt.

          3. Dafür sorgen, dass sich die Lohnabhängigen die Profite ihrer Arbeitskraft selbst aneignen können, damit es gar nicht erst zu einer Umverteilung des Wohlstandes von 'unten' nach 'oben' kommt. Lohnabhängige also zu Teilhaber*innen zu machen oder Stiftungen / gewerkschaftseigene Einrichtungen zu betreiben, für etwa eine Arbeitsvermittlung wie die Firma Helpling es macht. Das wäre eine abgewandelte Form der syndikalistischen Arbeiterbörse. Das setzt die gesellschaftliche Arbeitsteilung und das Leistungsprinzip nicht außer Kraft, aber relativiert beides auf ein erträglicheres Maß. Geschäftsführer würden immer noch sehr gut verdienen. Es gäbe ja weiter Konkurrenz um die besten Köpfe, nur nicht unbegrenzt.

           

          Dann das Ja:

          Enteignung und Umverteilung sind das Grundprinzip des Staates und der Gerechtigkeit in Form einer Demokratie. Dieses Grindprinzip heißt 'Steuern'. Dabei enteignet der Staat die Bürger und verteilt dann das Kapital um, baut Schulen und Straßen, Krankenhäuser und Universitäten usw. usf.

          Ziemlich tolle Sache also andererseits, diese Enteignung und Umverteilung. Sie würden auch nicht darauf verzichten wollen.

           

          Mit Steuern kann auch ein Syndikalismus demokratisch umgesetzt werden, indem mit entsprechend hohen Grenzsätzen bei Erbschafts und Kapitalsteuern selbst die riesigen Vermögen der Superreichen nach einigen Generationen auf ein erträgliches Maß geschrumpft wären.

          • @85198 (Profil gelöscht):

            Syndikalismus ist ein ideologisches Luftschloss!

            Woher kommen für die Lohnabhängigen die Arbeitsplätze?

            Der Großteil unserer Beschäftigen sind in Mittelstand-Firmen angestellt,d.h.Firmen die schon lange in Familienbesitz sind, oder neu gegründet wurden. Unternehmerisches Denken und Risikobereitschaft haben solche Firmen ermöglicht, und wenn dann die "Ausbeuter" Gewinne einfahren kommt der Neid und sie gehören enteignet. In welchen Land, auf diesem Planeten, hat Volkseigentum jemals es wenigstens auf den "schlechten" Standard gebracht, den wir jetzt haben ?

            Es gibt Fehler und Auswüchse in unserem System, die man bereinigen kann ( muss) , aber trotzdem ist es dem Kommunismus überlegen, ganz gleich wie man ihn bezeichnet.

            • 8G
              85198 (Profil gelöscht)
              @Günter Witte:

              Warm schreibe ich übrigens, dass es nicht um Kommunismus geht, wenn Sie dann doch wieder anfangen davon?

            • 8G
              85198 (Profil gelöscht)
              @Günter Witte:

              Habe kein Wort von Volkseigentum geschrieben. Verdrehen Sie mir nicht die Worte, bitte.

               

              Nur davon habe ich geschrieben, dass die Firmengründer ihre Angestellten nicht als Ausbeutungsmasse, sondern als M i t arbeiter behandeln und sie an den Firmen beteiligen sollten, die sie zusammen mit den Gründern durch ihre Arbeitskraft aufbauen. Ich habe noch keine*n in der Eigenständigkeit eine Produktion aufbauen sehen, so ganz alleine.

               

              Niemand wird durch eigene Arbeit reich.

               

              Dass Geld jedenfalls für eine*n arbeiten könne, ist eine unverschämte Lüge, die uns aufgetischt wird. Es sind immer Menschen, die für eine*n die Profite erarbeiten.

               

              Wer geht denn das Risiko ein in der Firma? Die Risikobereitschaft müssen in erster Linie die Lohnabhängigen aufbringen, denn sie sind es, die ihre Arbeitsplätze verlieren können. Der*dem Firmeninhaber*in bleibt immer das Firmenkapital als Sicherheit. Jede Sicherheit, die er*sie im eigenen Privatkapital hinterlegt, könnte genausogut auch von den Arbeiter*innen hinterlegt werden, denn sie sind es, die diese Sicherheit erst erwirtschaftet haben und dann noch das Risiko mit ihren Arbeitsplätzen tragen müssen.

               

              Warum werden sie also für dieses Risiko nicht gewürdigt und ihrer Arbeitsleistung gemäß am Betriebskapital beteiligt?

              Das ist die Klassenfrage aus einer syndikalistischen Perspektive. Keine Enteignung - nochmal - und kein Klassenhass, aber Beteiligung auf Augenhöhe!

               

              Wenn der*die Firmengründer*in genug hat, wird die Firma verkauft und dann kann ''das Geld für ihn arbeiten'' und für die nächsten Generationen seiner Familie.

              Wenn eine*r der Lohnabhängigen genug hat, dann kann er*sie kündigen und hat gar nichts.

               

              Es gibt in Westdeutschland Forstbetriebe, die sind immer noch im Besitz der feudalen Adelsfamilien, die sich das Land mit Gewalt nahmen und wie im Mittelalter arbeiten dieselben Familien in den Dörfern für den Reichtum dieses Feudaladels.

              Das ist der kapitalistische Feudalismus, in dem es, wie sie behaupten, keine Enteignung gäbe.

              • 8G
                85198 (Profil gelöscht)
                @85198 (Profil gelöscht):

                Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, dass isuch geschrieben habe, Syndikalismus sei die nachhaltigste Form der sozialen Organisation der Arbeit,

                 

                Also Syndikalismus als die Permakultur der Ökonomie.

                Ökobauernhöfe sind auch schön, aber das Nachhaltigste ist halt Permakultur. Etwas arbeitsintensiver und etwas weniger produktiv, dabei aber am schonendsten für die Mitwelt. Da bestimmt nicht der Fortschritt über die Ökonomie, also über die Menschen, sondern die Menschen bestimmen über die Ökonomie den Fortschritt.

                 

                "[Der Engel der Geschichte] möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm." Walter Benjamin

                 

                //http://www.deutschlandfunk.de/walter-benjamins-engel-der-geschichte-ein-sturm-weht-vom.2540.de.html?dram:article_id=345151

                 

                An selber Stelle:

                 

                'Als "Jetztzeit" bezeichnet Benjamin diesen messianisch aufgeladenen Augenblick [den revolutionären Augenblick] in seinen geschichtsphilosophischen Thesen. Und nur derjenige Historiker, der diesen verborgenen Möglichkeiten in der Geschichte "eingedenk" ist, vermag einen solchen Zeit- oder Brennpunkt überhaupt in den Blick zu bekommen.

                 

                "Er erkennt das Zeichen einer messianischen Stillstellung des Geschehens, einer revolutionären Chance für die unterdrückte Vergangenheit. Der Historiker, der davon ausgeht, begründet einen Begriff der Gegenwart als der 'Jetztzeit', in welcher Splitter der messianischen eingesprengt sind." '

                 

                Das messianische wie bei Bloch als Utopie gedacht. Bloch denkt es als ''Gleichzeitigkeit'' in einer Welt, die von der ''Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen' geprägt ist.

                 

                Die 'unterdrückte Vergangenheit' der Jetztzeit ist für mich der Syndikalismus!

      • @Günter Witte:

        @Steuersystem: für in Deutschland konsumierte Produkte wird in Deutschland Steuer fällig: das wird wieder die ärmsten belasten. Ich würde vorschlagen, daß die Steuersätze erst ab bestimmten Netto-Einkommen erhoben werden. Auch für Energie, natürlich. Daraus entstandene Differenz müssen dann Millionäre begleichen. Ziemlich Bingo