Häusliche Pflege: Entlastet, aber fremdbestimmt

Pflegende Angehörige können Geld beantragen – etwa für eine Putzhilfe. Das funktioniert aber nur theoretisch

Am Limit: Pflegende Angehörige brauchen auch mal Zeit für sich Foto: Jens Kalaene/dpa

BREMEN | taz 125 Euro: Wer 24 Stunden am Tag einen Angehörigen zu Hause pflegen muss, könnte von diesem Geld zwei Stunden in der Woche eine Putzkraft bezahlen. Zwei Stunden in aller Ruhe Zeit zu verbringen in dem Wissen, dass keine Arbeit liegenbleibt – das ist Gold wert. Mit dem im Januar 2017 in Kraft getretenen Pflegestärkungsgesetz II wollte der Gesetzgeber auch jenen Pflegebedürftigen und Angehörigen solche Unterstützungsleitungen ermöglichen, die vorher schlichtweg kein Geld dafür hatten. An der Umsetzung freilich hapert es noch gewaltig.

Mit 125 Euro im Monat sollen Pflegebedürftige mit den Pflegegraden 1 bis 5 „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ finanzieren können. Dazu gehören Hilfeleistungen wie Betreuungsstunden oder Hilfe beim Einkaufen und im Haushalt. Bloß: Von diesem Geld dürfen lediglich „anerkannte“ Haushalts- und Serviceangebote wahrgenommen werden – eine „einfache“ Putzkraft müssen Pflegebedürftige nach wie vor aus eigener Tasche bezahlen.

In Bremen bieten vor allem sogenannte „Dienstleistungszentren“ anerkannte Hilfen an: Dafür müssen die dort tätigen Ehrenamtlichen eine zwanzigstündige Fortbildung absolvieren. „Dort werden Themen wie Notfallwissen, Grundlagenwissen zum Thema Hygiene, Krankheiten im Alter, Diabetes und Rollstuhltraining und, ganz wichtig, zum Thema Demenz vermittelt“, sagt Bärbel Maruschewski vom Dienstleistungszentrum Huchting, das von der Paritätischen Gesellschaft für soziale Dienste betrieben wird.

Putzkräfte, sagt sie, gebe es bei den Dienstleistungszentren aber nicht. „Unsere AlltagshelferInnen arbeiten ehrenamtlich und erhalten eine Aufwandsentschädigung von acht Euro pro Stunde – die wollen gemeinnützige Arbeit verrichten und nicht einfach nur das Klo putzen.“ Die Zentren böten einen Besuchsservice an, „bei dem durchaus auch geputzt wird, aber im Vordergrund soll der soziale Kontakt stehen.“ Wenn ein pflegender Angehöriger und auch der Pflegebedürfige also nichts anderes möchten als die so dringend nötigen zwei freien Stunden pro Woche, sind sie bei den Dienstleistungszentren an der falschen Adresse.

Bleiben noch die ambulanten Pflegedienste: „Die koppeln hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit Pflege“, sagt Maruschewski. Das lohne sich aber nicht bei Pflegegrad 1: „Die ambulanten Dienste verdienen nicht mit den Tätigkeiten im Haushalt Geld, sondern mit der Pflege – wenn jemand also keine Pflege, sondern nur Hilfe benötigt, wird er es schwer haben, über einen ambulanten Dienst eine Haushaltshilfe zu bekommen.“

Die 20-stündigen Weiterbildungen für die Ehrenamtlichen werden von der Sozialbehörde organisiert und finanziert: „In diesem Jahr haben 500 Leute an den Schulungen teilgenommen“, sagt Behördensprecher Bernd Schneider. Und was ist mit selbständigen Putzkräften oder Reinigungsunternehmen? „Die müssen selbst für ihre Zertifizierung sorgen“, sagt Schneider. Und die ist richtig teuer, denn: „Wer in einem kommerziellen Zusammenhang solche Dienste anbietet, muss eine Weiterbildung von 120 Stunden absolvieren“ – hundert Stunden mehr als die „Alltagshelfer“. Wie viele Schulungsstunden absolviert werden müssen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, „aber ohne geht es nicht – da gibt es deutliche Vorgaben vom Gesetzgeber“, sagt Schneider.

Die Arbeit bei den Bremer Dienstleistungszentren ist seit der Einführung des „Entlastungsbetrags“ rapide gestiegen. „Wir brauchen dringend mehr Ehrenamtliche und wollen im Januar auch eine große Kampagne dafür starten“, sagt Maruschewski. Die Inanspruchnahme der Zentren zeigt: Für viele Angehörige und Pflegebedürftige sind sie eine große Hilfe im Alltag.

Bärbel Maruschewski, Huchting

„Wir brauchen dringend mehr Ehrenamtliche“

Jene allerdings, die einmal in ihrer 7-Tage-Woche einfach nur zwei Stunden frei machen möchten, während sich jemand anderes um den Haushalt kümmert, werden wohl auch in Zukunft leer ausgehen – es sei denn, sie können sich die Hilfe aus eigener Tasche leisten. So wie früher.

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