Tierquälerei in Niedersachsen: Tod auf der Weide
Ein Bauer aus Papenburg lässt seine Kühe qualvoll verenden. Trotz wiederholter Kritik hat das Milchkontor die Zusammenarbeit erst jetzt beendet
Den Landwirt hat Peta wegen zahlreicher mutmaßlicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutznutztierverordnung bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück angezeigt. „Die Tiere müssen schleunigst beschlagnahmt werden. Wir fordern die Behörden dringend auf, gegen den Tierquäler vorzugehen“, sagt Peta-Sprecherin Lisa Wittmann.
Bei dem Milcherzeuger handelt es sich um einen Zulieferer für das bundesweit größte Molkereiunternehmen Deutsches Milchkontor (DMK). Das wiederum hat erst jetzt die Zusammenarbeit mit dem Landwirt beendet. Obwohl laut Peta bereits wiederholt ähnliche Zustände von AnwohnerInnen auf dem Hof beobachtet worden sein sollen. Der Landwirt kümmere sich nicht um die Tiere und lasse sie im Freien verhungern. „Kühe und Kälber auf diesem Hof in Papenburg sollen weder ausreichend gefüttert noch tierärztlich versorgt werden – offenbar sterben sie über Tage hinweg einen grausamen Tod“, sagt Wittmann.
Bei den Fotos handelt es sich laut Peta um Aufnahmen vom vorigen Winter. Dass sie erst jetzt veröffentlicht werden, liege daran, dass die Behörden trotz vorhandener Hinweise nicht reagiert hätten. „Es hat sich bis heute nichts an der Situation auf dem Hof geändert“, beklagt Peta.
Das Deutsche Milchkontor (DMK) ist die mit Abstand größte Molkerei in Deutschland und hat ihren Hauptsitz im niedersächsischen Zeven. Im letzten Jahr lag der Umsatz bei 5,1 Milliarden Euro.
Das genossenschaftlich organisierte Unternehmen steht insbesondere bei vielen Milcherzeuger*Innen in der Kritik: Europaweit zahlt keine Großmolkerei weniger Geld an ihre Zulieferer als DMK.
In Niedersachsen gibt es derzeit noch rund 10.000 Milchviehbetriebe. Die Zahl ist innerhalb von zehn Jahren um rund ein Drittel gesunken. Knapp 900.000 Milchkühe stehen in niedersächsischen Ställen.
Erst nach Veröffentlichung der Fotos reagierte das DMK
Diesen Vorwurf hingegen wollen sich aber weder die zuständige Staatsanwaltschaft noch das Veterinäramt gefallen lassen. „Die Anzeige von Peta beinhaltet Vorgänge, die sich zwischen Ende Januar und Mitte März zugetragen haben und die nach Strafanzeige durch den Landkreis Emsland im März zwischenzeitlich mit einem Strafbefehl durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg abgeschlossen wurden“, heißt es von der Veterinärbehörde. Seitdem habe es aber keine Beschwerden mehr gegeben. Ob es bald zu einem Gerichtsverfahren komme, sei derzeit allerdings noch nicht vorherzusehen, da die zuständige Richterin derzeit krank sei.
Fragwürdig ist, trotz des Entschlusses nun die Zusammenarbeit mit dem Milchbauern zu beenden, das Verhalten von DMK, das die Marke Milram vertreibt. Schließlich sind die Vorwürfe gegen den Milcherzeuger schon länger bekannt. Da passt es nicht, dass das Molkereiunternehmen auf seiner Homepage die eigene Qualitätskontrolle bewirbt, die über die gesetzlichen Pflichten hinausgingen, etwa mit sogenannten „Hofaudits“.
Damit würden „erneut die bauliche Beschaffenheit der Ställe, die hygienischen Zustände und die Tiergesundheit“ kontrolliert. Aber erst jetzt, nachdem Peta die Fotos vom betreffenden Hof veröffentlicht hat, reagierte auch DMK. „Nach Bekanntwerden der von Peta erhobenen Vorwürfe, haben wir die Milchannahme von dem betreffenden Landwirt mit sofortiger Wirkung gestoppt“, heißt es in einer Mitteilung. Zudem verwies das Unternehmen darauf, dass es in engem Kontakt mit der Veterinärbehörde stehe und diese bei der Aufarbeitung unterstütze.
Ein flächendeckendes Problem, wie es Peta in der Milchviehwirtschaft konstatiert, sieht Jürgen Block, Tierarzt im Oldenburger Land, hingegen nicht. „Sicher gibt’s Probleme mit schwarzen Schafen, auch in dieser Branche“, sagt Block, der auch Mitglied im Tierschutzausschuss der niedersächsischen Tierärztekammer ist. Die Kontrollen seien zwar nicht perfekt, jedoch seien dort irgendwann auch Grenzen des Machbaren erreicht. „Viel mehr, als derzeit kontrolliert wird, kann man nicht machen“, sagt Block.
Problematischer hingegen sei für die Milchbauern weiterhin der niedrige Milchpreis. „Das führt dann eben zu einem Investitionsstau“, sagt Block. Und das wiederum wirke sich mitunter auch auf das Tierwohl aus. „So wie in manchen Geflügelställen sieht es aber zum Glück noch nicht aus“, sagt Block.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln