Kolumne Der rechte Rand: Braunes Liedgut vom AfD-Aufsteiger
Wie seine Vergangenheit als Herausgeber von völkischem Liedgut Alexander Wolf bei der Kandidatur als Hamburger AfD-Landeschef in die Quere kommt.
B isher lief die politische Karriere von Alexander Wolf (AfD) bestens. Dank seines starken Engagements und zielgerichteten Auftretens konnte er sich als Chef der Hamburger Bürgerschaftsfraktion durchsetzen. Am kommenden Wochenende will er nun auch die Leitung des Landesverbandes übernehmen. Aber seine Vergangenheit könnte den Juristen nun einholen: Kurz vor dem Landesparteitag ist ein Liederbuch mit dem einschlägigen Titel „Schlachtruf“ aufgetaucht. Dessen Herausgeber ist niemand anderes als Wolf.
Das Cover zeigt einen schwarzer Adler auf rotem Grund. Die Liedtexte beinhalten nicht minder klare Bekenntnisse: Auf Seite 172 findet sich die Hymne der „Hitler Jugend“ (HJ): „Unsere Fahne flattert uns voran“. Der Reichsjugendführer Baldur von Schirach hat den Text des 1933 veröffentlichten Liedes selbst verfasst. „Wir sind der Zukunft Soldaten / Jugend! Jugend! Träger der kommenden Taten“, lautet der Text. Und weiter: „Uns’re Fahne flattert uns voran / In die Zukunft ziehen wir Mann für Mann / Wir marschieren für Hitler.“ In der Sammlung findet sich noch ein weiteres HJ-Lied.
Braunes Liederbuch „nur für den internen Gebrauch“
Das Liederbuch hat Wolf vor 23 Jahren in seiner Studienzeit in München veröffentlicht. Für wenige Interessierte habe er die Texte zusammengestellt, sagte er der Hamburger Morgenpost. Und glaubt anscheinend, rechtlich nichts falsch gemacht zu haben. In den Vorbemerkungen schreibt Wolf – wohl um sich juristisch abzusichern – dass „dieses Manuskript“ nur zum „internen Gebrauch bestimmt“ sei und einen „wissenschaftlich-dokumentarischen Charakter“ bezwecke. Gleichzeitig wolle die Sammlung einen Beitrag liefern, voller „Wut, Trauer, Scham und Entsetzen angesichts der nun 50 Jahre zurückliegenden bedingungslosen Kapitulation.“ Und zu einem „entschlossenen 'Nie wieder!’“ aufrufen – hinsichtlich der Kapitulation.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
In der AfD hat Wolfs Vergangenheit bisher wenig gestört. Er gehörte den Republikanern an, leitete 1991 einen Arbeitskreis der Wochenzeitung Junge Freiheit, den „Jungkonservativen Club“ in München, und schrieb für dessen Wochenzeitung. Kurz vor der Bürgerschaftswahl räumte Wolf gegenüber der taz ein, Alter Herr der rechtslastigen Burschenschaft Danubia in München zu sein, die vom Bayrischen Verfassungsschutz beobachtet wird.
„Das Liedheft ist kein Ausrutscher“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen rechts. Seit knapp 30 Jahren bewege sich Wolf in der völkischen Szene. Dass die Sammlung gerade jetzt bekannt wird, dürfte kein Zufall sein. In der Partei tobt ein Machtkampf: Auch Dirk Nockemann, Ex-Innensenator der Schill-Partei, möchte Teil der neuen Landespitze werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an