Versauerung der Meere: Ein Todesstoß für viele Korallen
Die Versauerung der Ozeane führt unter Wasser zu drastischen Veränderungen. Seit Beginn der Industrialisierung stieg der Säuregehalt um 30 Prozent.
![Korallenriff im indonesischen Nationalpark Komodo Korallenriff im indonesischen Nationalpark Komodo](https://taz.de/picture/2394096/14/Korallenriff_Indonesien_imago_StockTrek_Images_22052017.jpeg)
Berlin taz | Acht Jahre lang erforschte der deutsche Forschungsverbund Bioacid die Meeresversauerung. Letzte Woche stellte er auf der Klimakonferenz COP23 in Bonn seine Ergebnisse vor.
Die Versauerung der Weltmeere ist die böse kleine Schwester der Klimaveränderung. Beide werden von derselben Ursache angetrieben: Die Meere nehmen steigende Mengen an Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf. Auf der einen Seite wirkt dies der globalen Klimaveränderung entgegen, auf der anderen senkt es durch chemische Reaktion den pH-Wert des Wassers.
Etwa ein Drittel des seit Beginn der Industrialisierung durch Menschen produzierten CO2 wurde von den Ozeanen aufgenommen, wodurch der Säuregehalt um 30 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig nehmen die Weltmeere 90 Prozent der Wärme auf, die durch den zusätzlichen Treibhauseffekt erzeugt wird.
An dem Forschungsverbund Bioacid (Biological Impacts of Ocean Acidification, deutsch: Biologische Auswirkungen der Ozeanversauerung) waren mehr als 250 Wissenschaftler aus 20 deutschen Instituten beteiligt, es wurden 580 Fachpublikationen veröffentlicht, das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte das Projekt mit insgesamt 22 Millionen Euro, koordiniert wurde es vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, von Professor Ulf Riebesell und Hans-Otto Pörtner. Auf der Klimakonferenz COP23 wurden letzte Woche die Ergebnisse in Form einer Broschüre (pdf-Datei) und in Veranstaltungen vorgestellt.
Die Auswirkungen auf Stoffkreisläufe und Lebensgemeinschaften sind wie in allen komplexen Systemen schwer zu einem präzisen Bild zusammenzubringen. Die lange Zeitspanne des Projekts hat geholfen, in manchen Punkten ein klareres Bild durch Langzeitdaten zu untermauern. Auch kleine Veränderungen an der Basis des Nahrungsnetzes können sich auf höherer Ebene auswirken. Die Verbreitung und Häufigkeit von Fischarten ändern sich, was unmittelbaren Einfluss auf Wirtschaft und Lebensgewohnheiten der Menschen hat.
Überlebensrate verringert
Gemeinsam mit der Erwärmung der Meere verringert die Ozeanversauerung die Überlebensraten junger Lebensstadien einiger Fischarten. Weil sie sehr schnell voranschreitet, können sich nur kleine Organismen mit kurzen Generationszyklen anpassen.
Gleichzeitig können Schlüsselprozesse wie die Kalkbildung beeinträchtigt werden. Dies betrifft unter anderem Schalentiere und kalkbildendes Plankton, die wiederum wichtig für viele andere Meeresorganismen sind, sowie manche Korallen. Und schon ohne die Versauerung wäre der globale Temperaturanstieg auf 1,2 Grad zu begrenzen, wenn wenigstens die Hälfte der Korallenriffe erhalten bleiben sollen.
Ein Quadratmeter von ihnen ist Lebensraum für etwa 1.000 Spezies. Insgesamt stören Ozeanversauerung und -erwärmung die Stoffkreisläufe und sie beeinträchtigen zusätzlich die weitere CO2-Aufnahme der Meere, wodurch auch ihre Funktion als Klimawandel-Bremse beeinträchtigt wird.
Riebesell und Pörtner sprechen sich beide deutlich für die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 aus, den Temperaturanstieg auf „weniger als 2 Grad“ zu begrenzen. Wohl auch deshalb, weil mehr nicht zu hoffen ist. Für die Korallenriffe und ihre Bewohner wird „weniger“ wohl nicht wenig genug sein.
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