Jugendtheater an der Parkaue eröffnet: Mit frischen Flügeln
Saniert und mit deutlich mehr Fördergeld bedacht: Am Freitag lädt das Theater an der Parkaue in Lichtenberg zur Wiedereröffnung.
Ein Mann im Fellkostüm sitzt auf einem Podest und schreit: „Nein!“ Vielleicht spielt er Fuchur, den Glücksdrachen, der weder Feuer spuckt noch Flügel hat, sondern wie ein Fisch im Wasser schwimmt. Es liegt zumindest nahe, denn hier wird gerade für die „Unendliche Geschichte“ nach Michael Ende geprobt.
Ein paar Tage noch, fast alle wirken hier wie unter Strom. Gerüste werden auf die Bühne geschoben, wieder weggeschoben. Ein Mann in Jeans ruft etwas quer durchs Theater. Ein anderer im weißen Kostüm hat sich zwischen zwei Sitzreihen auf den Boden gelegt und schläft.
Kay Wuschek, der das Theater an der Parkaue seit zwölf Jahren leitet, legt den Zeigefinger an die Lippen, um nicht zu stören. Ein paar Sitzreihen weiter erklärt er, was der Neuanfang am neuen, alten Ort für das Kinder- und Jugendtheater bedeutet.
Er weist auf das neue, gediegene Braun-in-Braun der Wände, Böden und Sessel, das schrille Rot von früher ist nicht mehr. „Eigentlich müsste hier alles in Gold getaucht sein“, sagt er. Denn es ist, als würden jetzt ebensolche goldene Zeiten anbrechen. Der Senat hat mit 17,6 Millionen Euro nicht nur viel Geld für Sanierung und Umbau des Theaters in die Hand genommen. Er hat auch kurz vor der Sommerpause versprochen, erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Geld für die Kinder- und Jugendtheater dieser Stadt auszugeben – 1,3 Millionen Euro sollen draufgelegt werden.
Für das Theater an der Parkaue mit seinen 85.555 Zuschauern in der Spielzeit 2016/2017 trotz Sanierung bedeutet das: 2017 wurde es mit 6,4 Millionen Euro gefördert, 2018 werden es 7 Millionen und 2019 7,13 Millionen sein. Das ist ein tolles Signal für Kay Wuschek, den 1963 in Aschersleben geborenen Intendanten.
Nichts läge Wuschek ferner, als die freudig gespannte Feierlaune in seinem Haus zu verderben. Sein Theater wurde gerade auf Hochglanz poliert, auch ist es als Staatstheater privilegierter als andere und zahlt seine Mitarbeiter nach Tarif. Trotzdem wird er später im Büro, nach seiner Hausführung, noch etwas anmerken müssen.
Nach wie vor ist ein Zuschauerplatz im Deutschen Theater mit 155 Euro gefördert, einer in den Kinder- und Jugendtheatern dagegen nur mit 39 bis 80 Euro – und das, obwohl diese nur viel weniger Eintritt verlangen können. Obwohl Kindertheater so wichtig für die Zukunft sind, mit Besuchern aus allen Bezirken und Milieus rechnen müssen, die Wuschek auch durch Workshops und andere Beteiligungsformate an den Tisch zu bekommen versucht.
Mit einer Doppelpremiere geht das Theater an der Parkaue heute am Freitag in die Wiedereröffnung: um 10 Uhr „Die unendliche Geschichte“ nach Michael Ende, um 18 Uhr gibt es als Uraufführung "In dir schläft ein Tier" von Oliver Schmaering, beide Aufführungen sind ausverkauft.
Am Sonntag lädt das Theater in der Parkaue 29 ab 13 Uhr zur großen Einweihungsparty für Familien. Der Eintritt ist frei, weitere Information: www.parkaue.de (sm)
Wuschek beschreibt die Herausforderungen im Kindertheater anschaulich. „In der Regel bleibt der erwachsene Zuschauer auch dann brav und still, wenn ihn da vorn etwas nicht erreicht“, sagt er. „Wenn das Kind merkt, dass es nicht gemeint ist, beginnt der Horror.“
Für Wuschek ist es darum unverständlich, dass die Kindertheater im Vergleich zu den Großen nach wie vor „am Katzentisch“ sitzen und „den Kinderteller“ bekommen. Gerade hat er gemeinsam unter anderen mit dem Atze Musiktheater und dem Grips Theater einen neuen Arbeitskreis initiiert. Dieser fordert auch nach der Erhöhung der Fördergelder Gleichstellung mit den Theatern für Erwachsene.
Das Theater an der Parkaue ist sicher ein guter Streiter in diesem Arbeitskreis, denn es ist krisenerprobt. Gegründet wurde es 1948 auf Befehl der Roten Armee: Im „Haus der Kinder“ sollten nach Faschismus und Krieg den Kindern und Jugendlichen neben Kunsterziehung, Tierzucht und Naturwissenschaften auch unter dem Namen „Theater der Freundschaft“ Kinder- und Puppentheater vermittelt werden – wohlgemerkt ein Vierteljahrhundert bevor sich im Westteil der Stadt rund ums Theater Grips so etwas wie eine professionelle Kinder- und Jugendtheaterszene zu entwickeln begann.
Als die Mauer fiel, begann der Kampf gegen die Abwicklung. Zuerst, erzählt Wuschek, kamen die Fragen aus dem Westen nach der Gehirnwäsche, nach der nun obsoleten Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten. So, als habe es die vielen Versuche in allen Bereichen der DDR-Kunst, trotz offizieller Linientreue durch die Hintertür Kritik zu üben, nie gegeben.
Theaterleiter Kay Wuschek
Dann kamen die Probleme mit dem Standort. Als Wuschek 2005 in Lichtenberg angefangen hat, erzählt er mit verschmitztem Lächeln, „da galt der Bezirk in der Presse als Nazi-Stasi-Seniorenkiez – man hatte das Gefühl, als herrschte noch immer Kalter Krieg“. Das Theater hatte 5 Millionen Euro Schulden. Der Senat drohte mit Halbierung des Etats, mit Schließung.
Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sich Lichtenberg in den kommenden Jahren zu einem der beliebtesten Familienbezirke der Stadt entwickeln würde. Niemand glaubte daran, dass Kay Wuschek binnen fünf Jahren fünf Millionen Euro Schulden abzuzahlen in der Lage wäre.
Es liegt viel Stolz in seiner Stimme, wenn Kay Wuschek sagt, dass sie in der Spielzeit 2016/2017 trotz Sanierung 85.555 Zuschauer hatten, also eine Auslastung von 94 Prozent. „Da fragen schon viele andere Theaterhäuser, wie so etwas möglich ist“, lächelt Wuschek und lädt dann zur Fortsetzung seiner Hausführung.
So schön wie funktional
Die frisch renovierten und die neuen Räume im Theater sind ebenso schön wie funktional geworden. Neben der Kantine ist ein schöner Lichthof zum Verweilen entstanden. In der Bar im Eingangsbereich wurde ein alter Tresen eingebaut, der bei den Bauarbeiten gefunden wurde. Vor allem aber wurden die beiden Bühnen nun so akustisch voneinander getrennt, dass sie gleichzeitig bespielbar sind. Und im angrenzenden Neubau gibt es dort, wo früher ein kleines Nebengebäude mit dritter Bühne stand, eine nun größere Bühne. Und es gibt jede Menge Platz für Fundus und Bühnenbild, das früher immer umständlich zu verpacken und auszulagern war.
Das Theater an der Parkaue, das jenseits der hohen Qualität und Modernität der Stücke vor seiner Sanierung manchmal noch ein wenig provinziell und nach DDR roch, wirkt jetzt auch äußerlich wie ein topmodernes Theaterhaus in der Mitte der Stadt.
Und trotzdem wollen sie hier auch mit ihrer Vergangenheit spielen. Kay Wuschek erzählt gern von den Taxifahrern, die sich an ihre Besuche im „TeDeFre“ erinnern, im „Theater der Freundschaft“. Er berichtet auch bereitwillig von den Talenten, die hier schon als Junge Pioniere das Theater entdeckten, Volksbühnenstar Milan Peschel zum Beispiel, der später fürs Theater an der Parkaue „Pünktchen und Anton“ inszenierte.
Am liebsten aber erzählt Wuschek beim langen Gang durchs Haus vom Flugzeug, das als Logo die Flyer und die Website schmückt, das überall die Wände im Theater ziert.
Alle Sinne ansprechen
Dieses Flugzeug erinnert an ein aussortiertes sowjetisches Flugzeug, das der Magistrat von Ostberlin 1980 dem Haus schenkte und das lange auf einer Freifläche neben dem Gebäude stand. Es erinnert Kay Wuschek aber auch daran, dass Fliegerpionier Otto Lilienthal als Dramaturg gearbeitet hat. Dass Filmregisseur Martin Scorsese Fliegen wie Kunst empfand: „Als eine Erfahrung, die alle Sinne anspricht, mitunter sogar den Magen.“
Und natürlich erinnert das Flugzeug auch an ein Zitat von Goethe. „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“
Kein schlechter Wahlspruch für ein Kindertheater, in dem Drachen eine große Rolle spielen, die schwimmen wie Fische. Kein schlechtes Logo deshalb auch.
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