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Nachwuchsverbände treffen sichJugend trainiert für „Jamaika“

In Berlin treffen sich die Jugendverbände von Union, FDP und Grünen. Das Kennenlernen zeigt: Vor allem die großen Fragen trennen sie.

Hier sondieren die Jamaika-Parteien. Gar nicht so weit weg aßen ihre Jugendverbände zu Abend: im Haus der Parlamentarischen Gesellschaft Foto: dpa

Berlin taz | Getöse und Geklopfe am Tischflügel der Jungen Union und bei den Jungen Liberalen, als ein Mitglied der Grünen Jugend sich vom Kommunismus distanziert. Kurz danach meldete sich ein Jungunionist mit der Ansage, wer nicht mit wenig Geld umgehen könne, der könne das auch nicht, wenn man ihm mehr gebe. Kopfschütteln bei der Grünen Jugend. Schnell wird klar: Es sind vor allem die großen Fragen, die sie voneinander trennen.

60 Mitglieder der Jamaika-Jugendverbände aus Berlin-Mitte trafen sich am Donnerstagabend zu einer Kennlernrunde nahe der Friedrichstraße, wenige Fußwegminuten entfernt von der Parlamentarischen Gesellschaft, wo derzeit die Spitzen ihrer Mutterparteien über die mögliche Regierungskoalition sondieren.

Die Initiative ergriff vor einigen Tagen der 21-jährige Jurastudent und Berlin-Mitte-Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen, Julian Otte-Korts: „Im Wahlkampf haben wir gegeneinander gearbeitet, jetzt wollten wir uns kennenlernen.“ In einem Hinterzimmer eines Restaurants sprechen die Nachwuchspolitiker über drei Themen: Arbeit, Finanzen und Ökologie, jeweils für 15 Minuten können sie sich zu Wort melden und plaudern größtenteils die Wahlprogramme ihrer Parteien runter.

„Keiner derjenigen, die hier sitzen, hat sich das so gewünscht“, sagt Lucas Schaal, 27, Kreisvorsitzender der JU in Mitte. Gerade bei den Jüngeren gebe es große Vorurteile, die man vielleicht bei einem Treffen beseitigen könne, es ginge um das berühmte „Zweckbündnis“.

„Stammtisch“? Nein, danke

Doch auch wenn sich einige als Jamaika-Fans bekennen, die meisten Grünen sehen die Konstellation hier kritisch. Die 20-jährige Medizinstudentin Ronja Reckmann, Bezirksvorsitzende der Grünen-Jugend in Mitte, kann sich schwer vorstellen, dass es nochmal zu so einem Gespräch kommen wird. Schon im Vorfeld war man sich uneinig: Jamaika-Stammtisch, sollte es heißen, das klinge zu rechts und zu männlich, in einem Nobelrestaurant schließe man die aus, die sich das nicht leisten können.

Mit einer quotierten Rednerliste konnte sich Reckmann nicht durchsetzen. Ein anderes Mitglied der Grünen sieht die CDU als Partei, die Menschenrechte im Mittelmeer breche. Es seien verschiedene Menschenbilder, die man nicht zusammenbringen könne. Wenn schon Jamaika, dann solle man dem Namen alle Ehre machen und endlich Cannabis legalisieren.

Dass sich Jungpolitiker lagerübergreifend treffen, hat in der potenziellen Jamaika-Koalition sogar eine Tradition. „Pizza-Connection“ hießen die Treffen Mitte der 90er Jahre: Junge Abgeordnete von CDU und Grünen, die erste Pläne für ein Regierungsbündnis schmiedeten. Mit dabei waren Kathrin Göring-Eckhardt, Cem Özdemir, Peter Altmaier – ein Teil jener Akteure, die nun am Verhandlungstisch sitzen. Auch in Berlin-Mitte erzählen sie sich von der Pizza-Connection. Ein Liberaler fühlt sich ausgeschlossen: „Wenn dann schon Kartoffelpizza-Connection.“ Für einen gelben Farbtupfer.

Beim schwarzgrünen Geheimbund nie dabei war Volker Kauder, der, wie der Zufall es will, im gleichen Restaurant diniert. „Es wäre schön, wenn deutschlandweit auch andere Kreisverbände sich zu einer solchen Aktion treffen würden“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende. Wenn die Koalition gelingen will, muss auch die Basis zusammenkommen. Die Jugend macht den ersten Schritt – auch wenn sie inhaltlich die Latte weitaus höher setzen, als ihre Mutterparteien.

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4 Kommentare

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  • Allein das gebrabbel des Union Jünglings über das Ausgabenverhalten ärmerer Menschen zeigt wie die gesamte Union sich zu der Lage der Geringverdiener, der Mehrfachjobber und der Leiharbeiter, so wie der Hartz IV Bezieher stellt. Denn wo, außer von den "Großen Brabblern" soll er es denn her haben. Wahrscheinlich kann er so reden, weil er das Studiengeld nicht selbst erarbeiten muss.

     

    Wir werden mit Jamaika wohl erleben, dass der Arbeiter und Angestellte noch weider abgehängt wird, damit er besser lernt mit weniger auszukommen!!!

  • Als kleiner Partner, der von den drei anderen am meisten entfernt ist, muss man mindestens einen großen Stich machen, und zwar dort, eo es der groesste Teil der eigenen Waehler goutiert. Die Meinung und Schwerpunkte der eigenen (großstädtischen?) Parteijugend ist dabei nicht maßgeblich.

  • Alles bewegt sich im Rahmen der vorgegebenen bürgerlichen Gesellschaftsordnung und keiner möchte den Kapitalismus verlassen! Damit sind auch die Familien Springer, Mohn, Siemens, Guttenberg und Quandt sehr einverstanden. Brave treudeutsche Jugend im 21. Jh.!

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Die Jugend ist schlauer als die gesamte Pizzaconnection. Nur weil die Schlaumeier in den 90ern da was ausgeknobelt haben wird das heute trotzdem nicht funktionieren.

     

    Das ganze staatstragende Gerede ist ja schön und gut, aber am Ende wird die rauhe Wirklichkeit mindestens eine Partei zerreissen, ich tippe auf die Grünen.

     

    Wer sich mit Merkel einlässt wird erdrückt, CSU, FDP und SPD können davon ein Liedchen singen. Wenn sich die Grünen tatsächlich auf Jamaika einlassen, dann wird das von vorne herein nur unter großem "gegen Rechts"-Getöse gehen, anders wird die grüne Basis die Kröten nicht schlucken. Ab dem Moment kommt man aber aus der Kiste nicht mehr unbeschadet raus, entweder man macht dann die CDU-CSU-FDP-Politik mit, oder man steigt aus und gibt somit den verkündeten Großkampf gegen Rechts auf. Geht beides irgendwie nicht. Die Quittung wird sicher folgen, sei es in Form einer Spaltung der Grünen oder auch nur so durch massive Stimmverluste.

     

    Die Grünen sollten auf die Jugend hören, es passiert nicht oft, aber diesesmal liegen die Rotznasen wohl richtig.