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Petition der Woche„Bild“-Populismus zum Mitmachen

Die Zeit, in der die „Bild“ Refugees-Welcome-Sticker verteilte, ist vorbei. Nun wird für mehr Abschiebungen mobilisiert – auch per Petition.

Ob es an Bord wohl die „Bild“ gab? Ein im Dezember 2016 für eine Abschiebung vorgesehenes Flugzeug in Frankfurt/M. Foto: dpa

Es muss endlich mehr Abschiebungen geben! Unter diesem Motto startete die Bild-Redaktion vergangene Woche eine Petition. Genau genommen soll es um mehr Abschiebungen krimineller Ausreisepflichtiger gehen. Auf einer ganzen Seite, inklusive einem Ranking mit der Überschrift „Welche Bundesländer schieben am besten ab?“, widmete sich das Blatt dem „Abschiebe-Versagen“. Jetzt soll eine Bild-Petition „Druck machen“.

Über die Hintergründe der Petition will niemand von der Bild sprechen, eine Anfrage bleibt unbeantwortet. Dass sich die Zeitung gern in Populismus statt Journalismus verirrt, ist jedenfalls keine Neuigkeit. Seit vielen Jahren ist ihr dabei der Bildblog auf den Fersen. „Nach den Pleitegriechen von 2015 versucht die Zeitung mal wieder Politik zu machen, anstatt über sie zu berichten“, kritisiert Bildblog-Macher Moritz Tschermak.

Nur ein Klick auf den Bild-Aufruf, und es öffnet sich ein Mail-Entwurf, adressiert an die Kanzlerin, die „die Abschiebung von ausreisepflichtigen Kriminellen jetzt zur Chefsache“ machen soll. Ihren Lesern verspricht die Redaktion: „Bild wird die Botschaft im Kanzleramt überreichen!“. 12.000 Personen meldeten sich innerhalb eines Tages bei dem Blatt. „Nicht gerade beeindruckend, wenn man bedenkt, dass täglich mehrere Millionen Menschen Bild.de besuchen“, findet Tschermak.

Ausgewählte Einsendungen stellte die Redaktion ins Netz. Angefangen bei einem Maurer, der „nicht noch dafür zahlen“ will, dass sich kriminelle Flüchtlinge in Deutschland aufhalten. Ein Ehepaar fordert gar die „sofortige Abschiebung auch bei kleinsten Vergehen“. Auch Politiker pflichten der Bild-Kampagne bei.

Rainer Wendt kommentiert

Prominent fordern Nochinnenminister Thomas de Maizière und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig einen härteren Kurs. Ein unterstützender Kommentar von Rainer Wendt, dem umstrittenen Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, darf da natürlich auch nicht fehlen.

Anlass der Petition: Die Bild findet, dass es zu viele kriminelle Ausreisepflichtige gibt.

Das wollen die Initiatoren: „Druck machen“.

Das wollen sie eigentlich: Den Sinkflug der Auflage stoppen und Stimmung machen.

Die Zeit, in der die Bild Refugees-Welcome-Sticker verteilt, ist vorbei. Karl Kopp von ProAsyl bereitet dieser Wandel „zurück zur Stimmungsmache“ Sorgen. Das Blatt hat sich gewendet, wie auch der Kommentar von Bild-Politikchef Nikolaus Blome zeigt. „Jetzt ist der Staat am Zug. Als Erste abgeschoben gehören jene, die zur Ausreise verpflichtet sind und Straftaten begangen haben.“ Die Betonung liegt auf „Als Erste“.

taz.am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Für den Anfang hat ein fünfköpfiges Redak­tions­team Forderungen an die Kanzlerin verfasst. Unter ihnen Franz Solms-Laubach, der mit „Das Ende der Sicherheit – warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann“ ein weiteres Empörungswerk auf den Buchmarkt warf. Gemeinsam fordern sie: Abschiebungen müssen Bundessache werden. Es braucht mehr Abschiebeknäste, und diejenigen Länder, die keine Flüchtlinge zurücknehmen, sollen mit gekürzter Entwicklungshilfe bestraft werden. Zuerst braucht es laut Bild aber eine Statistik, die kriminelle Ausreisepflichtige erfasst. Wie viele es davon gibt, ist Spekulation.

„Mal wieder konstruiert die Bild-Zeitung ein Vollzugsdefizit, das so nicht existiert“, kritisiert Kopp. Anscheinend gibt es keinen Grund, nicht trotzdem vor der vermeintlich großen Gefahr zu warnen. Mit dem Erfolg der AfD, die diese Woche erstmals im Bundestag Platz nahm, hat das natürlich nichts zu tun.

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12 Kommentare

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  • @Stefan Mustermann:

     

    Danke.

  • Mit "Bild" ist es wie mit der AfD: Man sollte sie nicht durch allzuviel unverdiente Aufmerksamkeit hochjubeln.

     

    Dabei irritiert mich sehr, dass der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger ausgerechnet den Verlagschef, der dieses Produkt aus den Katakomben der deutschen Presselandschaft zu verantworten hat, zu seinem Vorsitzenden und damit zum obersten Repräsentanten der deutschen Presse gewählt hat.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Schade, sehr schade, dass die Blödzeitung das fordert.

    An sich ist an der Forderung, Kriminelle schneller abzuschieben nichts auszusetzen, meiner Meinung nach.

    Wobei ich Schwarzfahren nicht als Abschiebegrund ansehe.

    Schwere Straftaten sollten so geandet werden.

  • Abschiebungen gehören zu unserem Asylrecht nunmal dazu. Wo ist das Problem?

     

    Wer gegen Abschiebungen ist, der kann nicht gleichzeitig für grenzenloses Asyl sein. Das ist eine Frage der Mathematik.

    • @Markus Steffen:

      Abschiebehindernisse und das Gebot der Verhältnismäßigkeit gehören genau so zu unserem Asylrecht.

      Z.B. das man jemanden, der wegen wiederholten Schwarzfahrens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde nicht dorthin abschiebt wo ihm Folter und Tod drohen.

      Wer damit ein Problem hat, sollte mal seinen Wertekanon ordnen.....

       

      Aber soviel zivilisatorische Differenziertheit passt ja leider nicht in großen Buchstaben auf eine Titelseite, gelle?

  • Politische Korrektheit und Bild

     

    Der Deutsche Presserat hat eine Missbilligung gegen die Syrien-Berichterstattung von Bild Online ausgesprochen. Bild-Online-Chef Julian Reichelt bezeichnete den Presserat daraufhin als „Handlanger des Kreml“

     

    Der Presserat sieht den Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze als „so schwerwiegend“ an, dass er eine Missbilligung aussprach. Das ist das zweitschärfste Mittel nach der Rüge.

     

    Bild Online-Chef Reichelt moniert, der Presserat habe sich „auf beschämende Art und Weise zum Schutzpatron zweier Regime gemacht, die ihre Schandtaten durch Scheindiplomatie, leere Versprechungen, gezielte Desinformation und Propaganda zu vertuschen versuchen“.

     

    Zur Klarstellung: Die Bild-Zeitung und ihr Webableger gehören zu den regelmäßig Gerügten des Presserates. Dort wird journalistische Ethik mitunter sehr originell ausgelegt, wenn sie denn überhaupt zur Kenntnis kommt.

    http://cicero.de/innenpolitik/streit-presserat-und-reichelt-die-bildzeitung-als-hort-der-moral

  • Die Bild mischt sich in die Aufgaben der Polizei ein, aber rechtswidrig! Soll man Verbrechen mit Verbrechen bekämpfen?

     

    "Fahndungsaufrufe sind Aufgabe der Polizei"

     

    Nach dem G20-Gipfel begann die rechtliche Aufarbeitung: Die "Bild" veröffentlichte dazu Fotos von Personen, denen sie Straftaten zuschreibt. Experten zufolge ist das rechtswidrig.

     

    Erstens ist das gegen Grundgesetz. Und alle Menschen, deren Fotos von Bild damals veröffentlicht wurden, hätten die Bild auf Unterlassung und Schadenersatz verklagen können.

     

    Außerdem gibt es Unschuldsvermutung, die die Bild durch die Veröffentlichung der Bilden mit Füßen getreten hat.

     

    Außerdem ist eine falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB strafbar.

    http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/gzwanzig-147.html

  • Sexismus ist momentan wieder im Gespräch. Wie sieht es mit der Zeitung aus, die Frauen sehr oft nackt darstellt? Eine Rezension von Huffpost:

     

    „Diese Aktion der "Bild"-Zeitung ist das Frauenverachtendste, das wir seit langem gesehen haben.“

     

    Es geht um Online Präsentation der Bild: "Das ultimative Macho-Tool" - und das ist noch widerlicher, als es sich anhört.

    http://www.huffingtonpost.de/2017/03/26/diese-aktion-der-bildzeit_n_15617698.html

  • Viele Medien kritisieren die Bild Zeitung!

     

    Ein Beispiel.

     

    21.12.2016

     

    Angst mit Ausrufezeichen: Wie die Bild-Zeitung mit ihrer Titelseite an der Realität vorbeischreibt

    Angst ist ein schlechter Berater – vor allem in Zeiten des Terrors. Die Titelseite der Bild-Zeitung vermittelte den Eindruck, dass nach dem Anschlag in Berlin, Deutschland nun von Angst regiert wird. Der Aufmacher sorgte in den sozialen Netzwerken für Kritik. Springers Boulevardzeitung schüre Ängste, wo derzeit keine sind. Ganz unberechtigt ist diese Kritik nicht.

    http://meedia.de/2016/12/21/angst-mit-ausrufezeichen-wie-die-bild-zeitung-mit-ihrer-titelseite-an-der-realitaet-vorbeischreibt/

  • Was macht die BILD Zeitung aus. Ist das noch Journalismus?

     

    Spiegel schrieb im Kontext einer Doku der ARD in 2012, warum die Bild Zeitung sich in die Politik immer wieder einmischt. Dabei wurde auch festgehalten, dass die Bild Zeitung nicht für das Volk spreche! Und es wurde festgestellt, dass die "Bild"-Zeitung bereit ist, ihre Berichterstattung anderen als journalistischen Erwägungen unterzuordnen.

     

    Außerdem ist z. B. das Verhältnis zwischen "Bild" und der ARD ist zerrüttet. In 2011 arbeitete die "Bild"-Zeitung an einer großen Kampagne gegen die ARD, im Gegenzug rüstete sich die ARD, mit ähnlichen propagandistischen Mitteln zurückzuschießen.

     

    Der Film der ARD stellte die Frage, ob die "Bild"-Zeitung den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff deshalb plötzlich so nachhaltig und unnachgiebig angriff, weil er "vielleicht ein 'Bild'-Aussteiger" war. Gregor Gysi sagte über Wulff: "Ich glaube, sein Fehler bestand darin, dass er die 'Bild'-Zeitung nicht mehr wollte, nachdem er vorher mit ihr gut zusammengearbeitet hat. Weil er dachte, dass er wirklich Bundespräsident ist - das heißt, dass er ganz oben steht und sich das leisten kann. Und die "Bild"-Zeitung wollte ihm beweisen, dass er sich irrt. In diesen Kampf sind wir hineingeraten."

     

    Außerdem der frühere "Bild"-Freund Hans-Olaf Henkel, der das erzählte und sich bitter über "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann und dessen Machtmissbrauch beklagte, wurde von dem Blatt kürzlich ohne ersichtlichen äußeren Anlass publizistisch vernichtet.

    http://www.spiegel.de/kultur/tv/ard-doku-bild-macht-politik-ueber-die-bild-zeitung-a-827416.html

  • Wenn man in 2016 regelmäßig auf die Titelseiten der größten Zeitungen in Deutschland gekuckt hätte, dann hätte man bemerkt, dass der rechte Populismus, der die Regierung immer wieder stark und unfair kritisierte, am öftesten von der Bild Zeitung kam.

     

    Man muss einfach sagen, dass die Bild die AfD sehr stark gemacht hat!

     

    Und man muss betonen, dass die Bild zum Rechtsruck der Gesellschaft enorm beiträgt. Selbst Kinder nutzt diese Zeitung dazu aus, um deren Propaganda zu verbreiten. Die schrieben mal über Gewalt an Schulen. Die suchten dabei nicht wirklich nach Lösungen, sondern stellten ausländische Kinder als Kriminelle dar.

  • „Über die Hintergründe der Petition will niemand von der Bild sprechen, eine Anfrage bleibt unbeantwortet.“

     

    Der Geschäftsführer der Bild hat ja die Hertha für die Geste gegen Trump kritisiert und gemeint, dass die keine Politiker sind, um so etwas zu machen. Bild ist auch keine politische Partei und mischt sich trotzdem in die Politik ständig ein.

     

    Es wäre schön, wenn die Bild sich mit dem Grundgesetz besser auskennen würde, wenn diese Zeitung sich in die Politik immer wieder einmischen will.