piwik no script img

Ein Schlupfloch an der Sonne und ein langer Kampf

Malta ist eigentlich ein armes Land. Es lebt vom Tourismus und vom Schiffsbau – und von sogenannten Briefkastenfirmen. Mehr als 1.600 deutsche Unternehmen nutzen die Insel für lukrative Steuertricks

Aus Berlin Ulrike Herrmann

Malta ist ein Steuerparadies, woraus niemand ein Geheimnis macht. Anwaltskanzleien werben im Internet mit dem Spruch „Sonne, Meer und niedrige Steuern“, um neue Kunden anzulocken.

Steuertricks waren auch das Thema, mit dem die maltesische Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia europaweit bekannt geworden ist. Am Montagnachmittag wurde sie mit einer Autobombe ermordet, und noch sind Täter und Hintergründe unbekannt. Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass Caruana Galizia sterben musste, weil sie hartnäckig die Verwicklung maltesischer Politiker in legale und illegale Steuerpraktiken erforschte.

Malta ist eigentlich ein armes Land. Die wichtigste Branche ist der Tourismus, außerdem befindet sich noch Europas zweitgrößte Werft auf der Insel. Um zusätzliche Einnahmen zu generieren, setzt Malta auf das Konzept „Briefkastenfirmen“. Das Angebot ist ver­lockend: Malta verlangt eine Körperschaftsteuer von nur rund 5 Prozent. Da lohnt es sich für internationale Konzerne, eine Tochter in Malta zu gründen.

Mehr als 1.600 deutsche Unternehmen haben sich eine Filiale in Malta zugelegt. Dazu gehören etwa BASF, die Autovermietung Sixt, der Düngelmittelhersteller K + S, aber auch der Flughafenbetreiber Fraport, der mehrheitlich dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt gehört. Der Trick ist immer der gleiche: Die Gewinne werden nach Malta verlagert, indem die Tochterfirma fiktive Kosten berechnet, sei es für Patente, Lizenzen oder Kreditzinsen. Wie die maltesische Tageszeitung Malta Today berechnet hat, wurden 2015 Unternehmensgewinne in Höhe von 4 Milliarden Euro durch Malta geschleust. Normalerweise wären darauf Steuern von etwa 1,7 Milliarden Euro entfallen – doch der maltesische Staat begnügte sich mit 250 Millionen.

Wie ein Forschungsprojekt an der Universität Amsterdam herausgefunden hat, gehört Malta heute zu den zehn größten Steueroasen der Welt. Auf der Insel fallen angeblich Unternehmensgewinne an, die die Wirtschaftsleistung des Landes um das Hundertfache übersteigen. Eine ökonomische Unmöglichkeit, aber sehr profitabel für Malta.

Diese Steuertricks sind legal. Jedes deutsche Unternehmen darf eine Tochterfirma im Ausland gründen – wenn das deutsche Finanzamt informiert ist. Seit Jahren versucht die OECD, dieses Steuerschlupfloch zu stopfen. Bisher ohne großen Erfolg. Denn in der EU gilt bei Steuerfragen Einstimmigkeit – und die Steueroase Malta hat immer ihr Veto eingelegt.

Neben diesen legalen Steuertricks ist Malta aber auch an der illegalen Steuerflucht beteiligt. Die „Panama Papers“ förderten zutage, dass viele maltesische Anwaltsfirmen hilfreich zur Seite standen, um Privatpersonen bei der Steuerhinterziehung zu unterstützen, indem sie Briefkastenfirmen in Panama gründeten.

Es war den Recherchen der jetzt ermordeten Journalistin Caruana Galizia zu verdanken, dass herauskam, dass auch die Ehefrau des maltesischen Premierministers Joseph Muscat Briefkastenfirmen in Panama unterhielt. Sohn Matthew Caruana Galizia schrieb nach dem Mord an seiner Mutter auf Facebook: „Wir befinden uns im Kampf gegen den Staat und die organisierte Kriminalität, die ununterscheidbar geworden sind.“ Malta sei ein „Mafiastaat“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen