Jobchancen für Alleinerziehende: Teilzeit gibt es nicht
Es gibt kaum betriebliche Teilzeitausbildungen für Alleinerziehende. Betriebe und Handelskammer behaupten allerdings, wenig Bedarf zu sehen.
Gleichzeitig gibt es kaum betriebliche Ausbildungsangebote, die auf dieses größer werdende Familienmodell zugeschnitten sind. In Bremen sind nur 0,8 Prozent aller Ausbildungsverträge Teilzeitausbildungen, bundesweit sogar nur 0,4 Prozent. Gleichzeitig Kinder erziehen und sich für einen guten Beruf qualifizieren? Für Alleinerziehende kaum möglich.
Esther Schröder, Referentin für Gleichstellungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer, sagt: „Seit 2005 gibt es rechtlich die Möglichkeit, eine Teilzeitausbildung anzubieten.“ Tatsächlich werde davon kaum Gebrauch gemacht. „Wenn man ständig Fachkräftemangel und freie Lehrstellen beklagt, warum kommen Betriebe dann nicht auf die Idee, Ausbildungen in Teilzeit anzubieten?“
Die aktuelle Erhebung zeige, dass der Wille zur Ausbildung insbesondere bei den Alleinerziehenden unter 25 Jahren groß ist. 75 Prozent könnten sich danach vorstellen, eine Teilzeitausbildung zu machen, Angebote gibt es jedoch kaum. „Da sind Unternehmen in der Bringschuld: Die fordern immer Flexibilität, sind es aber selber gar nicht“, sagt Schröder. Zumal Teilzeitausbildungen gar nicht auf Alleinerziehende beschränkt sein müssten: „Es können ja auch Eltern in Paarbeziehungen eine Teilzeitausbildung machen wollen.“
Bei der Handelskammer in Bremen weiß man um die niedrigen Zahlen: „Teilzeitausbildungen kommen weniger zu Stande, als man es sich idealtypisch vorstellt“, sagt Björn Reichenbach, der bei der Handelskammer für Ausbildungen zuständig ist.
Ein Problem: „Die Kürzungen erfolgen überproportional im betrieblichen Teil, die Berufsschule wird nicht verkürzt.“ Das allein sei zwar noch kein Hinderungsgrund, aber für die Betriebe sei es durch verschiedene Faktoren komplizierter, Teilzeitausbildungen festzuzurren. Und klar, wer „im Notfall“ die Kinder betreue, sei auch eine Frage.
Allerdings sei die Nachfrage ohnehin gering: „Kaum jemand bewirbt sich überhaupt für Teilzeitausbildungen, vermutlich auch, weil Bewerber in Konkurrenz zu allen anderen stehen“, sagt Reichenbach.
Dass es laut der Erhebung der Arbeitnehmerkammer viele Alleinerziehende geben dürfte, die sich eine Teilzeitausbildung wünschen, ist aus Sicht der Handelskammer kaum in ein tatsächliches Ausbildungsverhältnis zu übertragen: „Es ist schwierig, Wünsche mit der betrieblichen Realität zusammen zu bringen.“ Diese „spezifische Zielgruppe“ habe ganz andere Probleme und sei auf dem Arbeitsmarkt „nicht so präsent“.
Letzteres könnte auch daran liegen, dass alleinerziehende Eltern von Kindern unter drei Jahren überhaupt nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wenn sie „Betreuungsleistungen erfüllen“, tauchen sie in der Arbeitslosenstatistik gar nicht erst auf: Das SGB II sieht vor, dass alleinerziehende Eltern sich drei Jahre lang Elternzeit nehmen können, also weder vermittelt werden, noch zu Beratungsgesprächen kommen müssen oder eingeladen werden.
Dabei wünschen sich 61 Prozent der Alleinerziehenden im Leistungsbezug mit Kindern unter drei Jahren eine Arbeit, auch in Teilzeit, zehn Prozent wünschen sich gar mehr Termine beim Jobcenter.
Das Jobcenter würde jedenfalls gerne Alleinerziehende in Ausbildung vermitteln: Christian Ludwig, Sprecher des Jobcenters Bremen, sagt: „Gerade bei jungen Alleinerziehenden ist das Ziel eine betriebliche Ausbildung in Teilzeit.“ Aber diese Gruppe hätte oft weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weswegen die Jobcenter berufliche Weiterbildungen und „dreijährige Umschulungen in Teilzeit, die nicht in einem Betrieb sind, sondern bei einem Träger mit Praktikumsanteil.“
Tim Cordßen von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit sagte, dass der Einsatz einer „ressortübergreifenden Arbeitsgruppe“ zum Thema derzeit vorbereitet werde. Cordßen sagt: „Verbreitete Vorurteile müssen durch Erfahrungen abgebaut werden.“ Für ein passenderes Angebot an Teilzeit-Ausbildung sammele man derzeit Hinweise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!