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Menschenrechtler pochen auf den Familiennachzug

Asylpolitik Zum „Tag des Flüchtlings“ fordern Amnesty International und Pro Asyl Kurswechsel.

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass viele bleiben“

Günter Burkhardt, Pro Asyl

BERLIN taz | Mit einem Appell haben sich Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsverbände am Mittwoch an die künftigen Abgeordneten des deutschen Bundestages gewandt. Die „ressentiment- und vergangenheitsgeleitete“ Flüchtlingsrethorik des Wahlkampfes müsse ein Ende haben, sagte Günter Burkhardt von Pro Asyl. Das „Verschärfungs­stakkato“ im Asylrecht in den vergangenen zwei Jahren habe dazu beigetragen, die AfD groß zu machen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe mit der Ankündigung, „die rechte Flanke“zu schließen, diese erst recht geöffnet.

Mit Blick auf den kommenden „Tag des Flüchtlings“ am 29. September forderte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Asylrechtsexpertin Franziska Vilmar von Amnesty International eine „Neuausrichtung“ der Asylpolitik.

Besonders stark machten sich beide für den Familiennachzug. All jene, die nur einen zeitlich eingeschränkten Schutz genießen, ist es seit März 2016 nicht mehr möglich, Verwandte nach Deutschland nachzuholen. Das gilt vor allem für Syrer*innen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Menschen, die geflohen sind, hier bleiben werden“, mahnte Burkhardt an. Er verwies dabei auf eine Videobotschaft des hochrangigen Militärchef Assads, Issam Zahreddine, der den über fünf Millionen Landesflüchtigen gedroht hatte: „Kehrt nicht zurück!“, und: „Wir werden niemals vergessen und verzeihen.“

„Wer Flüchtlingen ihr Recht auf Familiennachzug verweigert oder ihn in welcher Form auch immer begrenzen will, handelt wider geltendes Recht“, fügte Burkhardt hinzu. „Familien dürfen nicht über Jahre hinweg getrennt werden.“ Auch Amnesty International betrachtet die pauschale Aussetzung des Familiennachzugs über Jahre hinweg als menschenrechtswidrig. Und auch der Präsident des evangelischen Hilfswerks Diakonie, Ulrich Lilie, pochte am Mittwoch auf das Recht auf Familiennachzug: „Aus unserer Sicht kann Integration nur gelingen, wenn Menschen für sich und ihre Familien eine Zukunftsperspektive sehen.“

Amnesty International und Pro Asyl fordern zudem, keine weiteren Länder als sichere Drittstaaten einzustufen. Es handele sich bei diesem Konzept lediglich um Symbolpolitik zulasten der Schutzsuchenden, so Burkhardt. Insbesondere Afghanistan sei kein sicheres Herkunftsland, die Sicherheitslage dort sei seit dem Sturz des Talibanregimes 2001 nicht mehr so schlecht gewesen. Die künftige Bundesregierung sollte alle Abschiebungen in das Land einstellen.

Burkhardt kritisierte außerdem die Rückkehrberatungen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Parallel zu laufenden Asylverfahren Geflüchteter werden dort Beratungen zur „freiwilligen Rückkehr“ angeboten. Damit werde Druck gemacht, um selbst Menschen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak und Somalia zur „freiwilligen Ausreise zu bewegen“ und sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden, beklagte Burkhardt.

Der Malteser Hilfsdienst stellte am Mittwoch einen eigenen „Migrationsbericht“ vor. Darin heißt es, vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt müsse erleichtert werden, etwa durch die Anerkennung von Teilqualifikationen.

Antonia Groß

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