: Die WASG wetzt schon die Messer
Die Berliner WASG hat ein Problem: Ihren zukünftigen Partner, die PDS. Im Wahlkampf war sie kaum präsent, am Sonntag wird getrennt gefeiert. Das „Stillhalteabkommen“ beider Parteien könnte dann wieder Vergangenheit sein: Die Basis ruft zur Kritik
Eigentlich müssten die GenossInnen der WASG glücklich sein: Kommt es bundesweit tatsächlich zu den prognostizierten 8 Prozent für die Linkspartei, stellt ihr Berliner Partner mindestens vier Bundestagsabgeordnete. Der Mitgliederzuwachs der WASG hält insbesondere im Westteil der Stadt an; inzwischen besitzen mehr als 700 Menschen dort das Parteibuch. Und selbst die bösen Sticheleien von Linkspartei.PDS-Chef Stefan Liebich sind in den vergangenen Wochen ausgeblieben. Der einst vehementeste Kritiker innerhalb der PDS, der die neue Formation auch schon mal als „Gurkentruppe“ bezeichnet hat, zeigt sich versöhnlich. Er schlägt sogar vor, bis Mai 2006 miteinander zu fusionieren.
Doch wenige Tage vor dem großen Comeback der Linkssozialisten im Bundestag ist die Stimmung bei den Berliner GenossInnen der Wahlalternative alles andere als euphorisch. Weder personell noch finanziell hat sich die WASG beim Bundestagswahlkampf eingebracht, gesteht WASG-Mitglied Michael Prütz. „Von uns haben sich beim Wahlkampf nur wenige richtig ins Zeug gelegt.“ Gerade mal 5.000 Euro war die Bundestagswahl ihnen wert, die PDS ließ 215.000 Euro springen. Da kann von einem gemeinsamem Wahlkampf erst recht nicht die Rede sein.
Wozu auch, werden sich viele WASGler gefragt haben: Auf ihrem Landesparteitag im August hatte die PDS dem WASG-Spitzenkandidaten Ralf Krämer nur den aussichtslosen 6. Platz eingeräumt. Der favorisierte 4. Platz blieb der WASG verwehrt.
Hintergrund des Konflikts bleibt weiterhin der Streit um die Regierungsbeteiligung der Linkspartei am Senat. Die Berliner Sektion der Wahlalternative hatte sich vor mehr als einem Jahr gegründet, um nicht nur gegen die rot-grüne Bundesregierung zu opponieren, sondern auch dem neoliberalen Kurs der rot-roten Koalition Paroli zu bieten.
Doch mit der Ankündigung von Neuwahlen und der anschließenden Debatte um ein gemeinsames Linksbündnis waren die Berliner GenossInnen überfordert. Sie wollten an ihrer Kritik im Sozial- und Bildungsbereich festhalten. Erst als der WASG-Bundesvorstand sich einschaltete, wurde der Zwist unter den Teppich gekehrt. Von „Stillhalteabkommen“ und „freundlichem Waffenstillstand“ spricht nun Prütz. Die Bundestagswahl hat Vorrang, alles andere musste zurückstehen.
Das könnte sich nach dem Wochenende sehr schnell ändern. Die Pläne fürs weitere Vorgehen liegen bereits in den Schubladen. Und da stehen die Zeichen auf Konfrontation. Grundsätzlich wolle man ja den Zusammenschluss eines gesamtdeutschen Linksbündnisses, heißt es in einem Papier der beiden Landesvorstandsmitglieder Andrea Schulteisz und Frank Puskarev. Bis es jedoch dazu kommt, müsse sich die Linkspartei.PDS zunächst noch mehreren öffentlichen Veranstaltungen stellen. In dem Papier fordern sie, dass die Linkspartei zu folgenden Themen Rechenschaft ablegt: „Haushaltspolitik am Rande des Ruins“, „Arbeitsmarktpolitik in Zeiten von Hartz IV“, „Bildung für alle“ und „Elternförderung“. Jede Veranstaltung soll protokolliert werden, um den Willensbildungsprozess innerhalb der WASG Berlin zu unterstützen. Weiter heißt es: „Gleichzeitig bieten diese Foren den notwendigen Raum für die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik des rot-roten Senats.“ Kommt eine Einigung nicht zustande, soll die Berliner WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen 2006 gegen die PDS antreten. Mit den Vorbereitungen werde ab Oktober auf jeden Fall begonnen. Die Reaktionen auf das Papier: breite Zustimmung.
Ob es wirklich zu einer konkurrierenden Kandidatur kommt, hängt aber auch noch von anderen Faktoren ab. Intern gibt es bereits Befürchtungen, dass es der WASG an Geld fehlen wird, um bei den Abgeordnetenhauswahlen einen eigenen Wahlkampf zu stemmen.
Aktuell überwiegt das Trennende. So wird zum krönenden Abschluss des Wahlkampfs die Linkspartei heute ab 16 Uhr auf dem Karl-Liebknecht-Platz eine Großbühne errichten und alle Geschütze auffahren, die sie zu bieten hat. Von Oskar Lafontaine über Gregor Gysi, Katja Kipping, Petra Pau, Klaus Ernst bis zu Stefan Liebich. Nur die Vertreter der Berliner WASG werden fehlen.
Die WASG-GenossInnen wollen trotzdem kein Trübsal blasen. Auch sie werden die Wahl feiern. Während die Linkspartei.PDS am Wahlabend auf dem Schlossplatz in einem großen Festzelt auf ihren Einzug in den Bundestag anstoßen wird, lädt der Landesverband der WASG auf ein Schiff in Stralau. „Eigenständiger Wahlkampf erfordert eben eine eigenständige Abschlussparty“, sagt Michael Prütz mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2006.
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