Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Gendergap beim Reisen
Echte Kerle werden beim Sonnenbaden am Sandstrand oder auf Kulturreise in der Toskana nur bedingt glücklich. Ihre Frauen schon.
B islang hat Nina alle Urlaube mit den Kindern organisiert. Camping-, Wander- und Badeurlaube. Seit die Kinder flügge werden, fühlt Paul sich auf der Zielgeraden. Er wittert Abenteuer, nicht nur beim Grillen auf dem Campingplatz.Heimlich träumt er davon, Uruguay auf dem Rücken eines Pferds zu durchqueren.
Stattdessen hat er sich dieses Jahr einen komfortablen Elektro-Hybrid-Wagen gekauft, plus Dachzelt. Er will damit nach Aserbaidschan fahren. Er kennzeichnet die Orte seiner Eroberungen auf der Weltkarte hinter seinem Schreibtisch mit blauen, die geplanten Eroberungen mit grünen Fähnchen. Nina stöhnt. Während Paul Outdoor-Equipment im Doppelpack kauft, ist sie es leid, als doppeltes Lottchen die Welt zu bereisen.
Christina und Bernd sind seit diesem Jahr Frührentner, und Bernd läuft zu Höchstform auf. Zwei Monate Spanien und nächstes drei Monate quer durch die USA stehen auf dem Programm des agilen, gut versorgten Frührentnerpaars, dazwischen ein paar Städtetrips. Dabei träumt Christina heimlich von Badeurlaub auf Mallorca, den Bernd ätzend langweilig findet.
Männer erobern die Welt, aber dazu brauchen sie Begleitung. Studien bestätigen: 40 Prozent der Singlemänner bleiben zu Hause, weil sie nicht allein verreisen möchten. Singlefrauen dagegen verbringen die Ferien mit Freunden oder buchen sich bei Veranstaltern ein. Dass ist für Paul auch nach dem letzten Urlaubsstreit mit Nina kein Alternative: Bei der Suche im Netz nach „echten Kerlen unterwegs“ ist er fast ausschließlich auf Schwulenreisen gestoßen.
Um dem Gendergap beim Reisen nicht völlig ausgeliefert zu sein, hat Nina Paul mit Anglerkurs, Mountainbiketour und Oldtimertreffen beschenkt. „Echte Kerle werden beim Sonnenbaden am Sandstrand oder auf Kulturreise in der Toskana nur bedingt glücklich“, hat sie in einem Männermagazin gelesen. Richtig glücklich sind beide auch damit nicht geworden. Er will unbedingt, dass sie ihn begleitet.
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