Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: „Froh schlägt das Herz im Reisekittel“
Es wird gereist, dass die Bude brummt. Selbst wenn in den Zielländern die Einheimischen auf die Straße gehen und gegen den Massenansturm protestieren.
Mach doch mal was Tourismuskritisches, meint eine Kollegin, genervt von Reportagen über touristische Highlights weltweit. Es sei doch gerade unsere Klientel, die wahnsinnig viel reist, mal kurz in touristisch völlig überforderte Städte fliegt und das auch noch gut finde, ereifert sie sich.
Recht hat sie. Und deshalb schreiben wir auch über den Ausverkauf der Städte durch Airbnb, wir wagen es, Verzichtsforderungen zu thematisieren, was unseren auf Ressourcenverbrauch orientierten Reisestil angeht.
Wir setzen uns für die Besteuerung von Flugbenzin ein. Wir schreiben über unfaire Arbeitsbedingungen im Tourismus, die Plünderung der letzten Mythen fürs Folkloreprogramm und die wirtschaftliche Ausbeutung an den Stränden der Dritten Welt durch den Global Player der ersten Stunde: Tourismus.
Und wir promoten sozialverträgliche und ökologische Urlaubsformen und Projekte und nehmen den Widerspruch einer ökologisch fragwürdigen Flugreise nach Neuseeland zur Förderung eines umweltverträglichen Projekts dort in Kauf.
Nützt alles nichts: Hemmungsloser Tourismus ist unter unserer Beleg- und Leserschaft weit verbreitet, da hilft kein moralisches Gängelband. Tourismus ist ein Konsumgut wie eine Waschmaschine, mit dem kleinen Unterschied: Hier soll das Glück käuflich sein! Ein Versprechen, das noch jedes moralische Bedenken schlägt.
Wie wär es mit einem Gratisticket?
Findige Werbeleiter wissen um das Sehnsuchtspotenzial ihres touristischen Produkts. Wer sich beispielsweise das Glück einer Kreuzfahrt mit den neuen schwimmenden Hochburgen des Massentourismus nicht leisten kann, für den haben sie eine auf jeden Fall ausbaufähige Idee angedacht. Was würden Sie tun, um ein Gratisticket zu ergattern? Dazu wurden 1.250 Personen befragt:
Ich kümmere mich während der Ausflüge um Senioren, die Hilfe benötigen: 34 Prozent.
Ich helfe in den Bordshops aus: 33 Prozent.
Ich würde nach einer kurzen Schulung Aufgaben bei der Sicherheitseinweisung übernehmen: 24 Prozent.
Ich helfe dabei, das Gepäck in die Kabinen zu bringen: 20 Prozent.
Ich unterstütze die Kinderbetreuung: 14 Prozent.
Ich übernehme eine aktive Rolle beim Showprogramm: 9 Prozent
Ich übernehme Aufgaben in der Bordküche: 9 Prozent.
Ich übernehme Aufgaben beim Aufräumen und Putzen der Kabinen: 8 Prozent.
Ich helfe beim Aufräumen und Säubern der Bordrestaurants: 6 Prozent.
Die Moral von der Geschichte: „Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt, man hat die Mittel.“ (Wilhelm Busch)