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Gensaat als „Irrtum“ deklariert

Zum dritten Mal in diesem Jahr landet gentechnisch verändertes Saatgut in Deutschland – ohne dass es als solches erkennbar gewesen wäre. Bauern halten den wiederholten Fehler für „systematisch“. Greenpeace ist empört

VON NICK REIMER

Hundert Pflanzen bringen die ganze schöne Genwelt von Monsanto durcheinander. Tatort: Gemüsegärten zwischen Rhein und Pfälzer Wald. Täter: Mitarbeiter der Firma Seminis Vegetable Seeds Germany. Tatmotiv: Dummheit. Die Tat: Verstoß gegen sämtliche nationalen und internationalen Vorschriften. Ohne Genehmigung wurden gentechnisch veränderte Zucchini angebaut.

„Irrtümlicherweise“, so erklärt die Firma Seminis Vegetable Seeds, seien „90 Gramm Mustersaatgut einer biotechnisch veränderten Zucchinisorte für firmeneigene Feldversuche nach Deutschland geschickt“ worden. „Biotechnisch“ bedeutet nichts anderes als genmanipuliert. „Es handelt sich um die Sorte Judgement III (B) aus den USA, die über die Niederlande nach Deutschland gekommen ist“, bestätigte das rheinland-pfälzische Umweltministerium der taz. „Als die firmeneigene Qualitätskontrolle den Sachverhalt feststellte, befand sich bereits ein Teil der Pflanzen im Freiland“, so Ministeriumssprecher Wolfgang Raber. Etwa 100 Saatkörner seien nach Rheinland-Pfalz geliefert und im Gewächshaus zu Zucchinipflanzen angezogen worden. Ein weiterer Teil des Saatguts gelangte aus Niedersachsen – wo die Firma sitzt – auch in andere Bundesländer. Außerdem hätten einige Seminis-Mitarbeiter Pflanzen mit nach Hause genommen – für den privaten Garten. Das bestätigte Gregor Herbers, der bei Seminis für den Verkauf zuständig ist. Antoon Santegoeds, der Seminis-Marketing-Direktor für Europa, den Mittleren Osten und Afrika, erklärte, dass alle Keimlinge und das nicht verwendete Saatgut in das nächstgelegene, behördlich zugelassene Gewächshaus des Unternehmens in den Niederlanden gebracht worden seien.

Greenpeace kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus: „Die Firma hat erstens gegen das internationale Bio-Safety-Abkommen verstoßen, zweitens gegen das deutsche Gentechnikgesetz. Es gab drittens weder für die Einfuhr nach Deutschland noch viertens für die Ausfuhr in die Niederlande eine Genehmigung. Fünftens gibt es keine Zulassung dieser Sorte in der EU. Und schließlich sechstens: Das ist nicht der erste Fall“, so Genexperte Henning Strodthoff.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) bezweifelt, dass es sich um eine Panne handelt. „Dahinter steckt System“, so Expertin Annemarie Völling. „Die Gen-Industrie der USA versucht Europa systematisch zu verdrecken.“ Dieser Fall sei bereits der dritte in diesem Jahr. Zuerst habe die niedersächsische Firma Pioneer in Europa nicht zugelassenen Mais in Verkehr gebracht, so Völling. Dann sei der Mais Bt 10 in Europa verkauft worden – obwohl nur die Sorte Bt 11 zugelassen ist. Dazu muss man wissen: Die Firma Seminis Vegetable Seeds ist eine Tochter von Monsanto.

„Wir fordern, dass endlich strafrechtlich schärfer gegen diese Praxis vorgegangen wird“, so Greenpeace-Experte Strodthoff. Seminis ist sich dagegen sicher, dass das nicht passieren wird. „Wir arbeiten offen mit den Behörden zusammen“, so Verkaufsleiter Herbers. Für Mensch und Umwelt sei das alles völlig unbedenklich. Herbers: „Dafür jedenfalls wird man nicht eingesperrt.“ Klar ist das allerdings noch nicht. Ministeriumssprecher Raber: „Wir prüfen die rechtlichen Aspekte.“

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