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Kolumne MachtDenn sie wissen nicht, was sie tun

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Die Wahlperiode des Bundestags soll mal eben verlängert werden. Eine bessere Wahlwerbung hätte sich die AfD nicht wünschen können.

Wollen sich lieber für fünf Jahre wählen lassen: die Abgeordneten des Deutschen Bundestags Foto: dpa

W enn ich an Verschwörungstheorien glaubte, dann hätte ich einen ganz großartigen, neuen Stoff. Aber ich glaube eher an die Universalität der menschlichen Dummheit. Und deshalb denke ich, dass das parteiübergreifende Bündnis, das jetzt für eine Verlängerung der Wahlperiode des Bundestags eintritt, nicht etwa der AfD zusätzliche Stimmen verschaffen will – obwohl dies das unausweichliche Ergebnis sein wird –, sondern dass die Geistesgrößen der Politik einfach nicht wissen, was sie tun.

Eine bessere Wahlwerbung hätten sich die Völkischen, die mit ihren knapp zehn Prozent Gefolgschaft unbeirrt behaupten, „das Volk“ zu vertreten, gar nicht wünschen können. Gut eine Woche vor den nächsten Wahlen wird der Bevölkerung signalisiert, sie solle demnächst seltener als bisher über den künftigen Kurs entscheiden dürfen. Alle, alle Altparteien sind sich einig, dass das sinnvoll wäre.

Auf einem anmutigeren Silbertablett ist die Möglichkeit selten serviert worden, den Vorwurf der Kungelei zu erheben. Dabei gibt es gute Gründe, die für eine Verlängerung der Legislatur sprechen. Mindestens sechs Monate dauert es, bis sich ein neues Parlament und eine neue Regierungskoalition eingearbeitet haben, die ersten Vorboten des Wahlkampfs zeigen sich regelmäßig nach etwa zwei Jahren. Ein bisschen weniger Hektik im politischen Betrieb täte langfristigen Planungen komplexer Reformen gut.

Aber über so etwas muss ausführlich geredet werden. Es ist auch kein Fehler, den Versuch zu unternehmen, eine Mehrheit der Bevölkerung vom Sinn einer solchen Verfassungsänderung zu überzeugen – statt sie mal eben hopplahopp in Aussicht zu stellen. Das Thema eignet sich gut dafür, auch weitere Aspekte zu erörtern. Die Begrenzung der Amtszeit von Kanzlerin oder Kanzler auf zwei Legislaturperioden beispielsweise, wie in vielen anderen Ländern üblich.

taz.am wochenende

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Das sorgt erfahrungsgemäß für eine Belebung der innerparteilichen Debatte in der stärksten Regierungsfraktion und verhindert Überdruss am Spitzenpersonal. Geredet werden kann – und sollte – auch über eine Erweiterung der Möglichkeiten direkter Demokratie. Ich selbst bin keine Anhängerin von Volksentscheiden auf Bundesebene, aber ich muss zur Kenntnis nehmen, dass der Ruf danach lauter wird. Und wenn sich am Ende einer seriösen Diskussion eine Mehrheit dafür abzeichnet, dann soll es eben so sein.

Die Betonung liegt auf „seriös“. Verfassungsänderungen sollten niemals im Eilverfahren durchgepeitscht und auch nicht mit geradezu aufreizender Beiläufigkeit zur Sprache gebracht werden. Die Mitte einer Legislaturperiode, in der noch mit langem Atem diskutiert werden kann, ist dafür ein geeigneter Zeitpunkt. Die Art und Weise jedoch, in der das Thema jetzt verhandelt wird, zeugt von geringem Respekt vor dem Grundgesetz.

Populisten müssen sich nicht einmal öffentlich dazu äußern, wenn sie es nicht wollen. Es genügt, wenn an Stammtischen darüber geredet wird. Reicht die Fantasie der Verantwortlichen wirklich nicht aus, um sich auszumalen, was dort jetzt unterstellt wird? Dass die Abgeordneten sich damit doch nur länger ihre angeblich so fetten Pfründen sichern wollen, dass das Volk noch seltener als bisher nach seiner Meinung gefragt wird, dass solche Vorschläge nur dem eigenen Machterhalt dienen … und so weiter und so weiter.

Derlei Vorwürfe sind ungerecht und platt. Aber niemand sollte sich wundern, wenn sie erhoben werden und die letzten Tage des Wahlkampf schleichend vergiften. Eindrucksvoller ist ein Thema, das wichtig ist und die Debatte lohnt, selten versemmelt worden. Das wird sich rächen – bei den Wahlen und noch lange danach.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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8 Kommentare

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  • "Und wenn sich am Ende einer seriösen Diskussion eine Mehrheit dafür abzeichnet, dann soll es eben so sein."

     

    Das ist der springende Punkt. Man sollte ihn vielleicht auch auf die Verringerung der Wahlen anwenden: Erst die Diskussion, dann die Mehrheit, dann die Entscheidung. Da sich die "Etablierten" aber schon wieder einig sind, bevor die Debatte begonnen hat, darf man sich nicht wundern, wenn die Opposition gewählt wird.

     

    Und wer ist diese Opposition, wenn FDPCSUCDUB90LINKE den demonstrativen Schulterschluss wagen? Exakt..

  • Ist eine Theorie gut begründet oder nicht, das ist die Frage. Es ist wohl eher das Verschwörerische, Hinterzimmer suggerierende, das da nicht behagt. Jeder, der die arabische Welt bereiste, wusste um die Wut dort (11. Sept).

    Aber zum Artikel: Die Verachtung der Eliten/Parteipolitiker soll ja zu Populismus führen, aber nie war Kritik so gerechtfertigt wie heute.

    Die fünf Jahre CDU-FDP Koalition werden ein Desaster. Bitte schnell auf vier Jahre verkürzen.

  • "Derlei Vorwürfe sind ungerecht und platt."

     

    Geistreiche Argumentation, schönen Dank. So macht Staatsbürgerkunde Spaß!

  • Wenn man wirklich mal auf den Ablauf einer Legislaturperiode schaut, wäre es nicht unerheblich mehr Zeit für die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Verfügung zu haben, denn dann würden wir als Bevölkerung nicht immer wieder unter diesen halbausgegorenen Gesetzen wie z.B. Hartz IV usw. leiden müssen.

     

    Allerdings müsste dann auch unbedingt die Anzahl der Wahlperioden für Politiker begrenzt werden, nicht nur für den Kanzler, sondern auch für Bundestagsabgeordnete und Ministerpräsidenten und so weiter und so fort!

     

    In anderen europäischen Ländern gibt es schon lange die Fünfjahresperiode.

     

    Beides zusammen, die Begrenzung der Amtszeit und die Verlängerung der Wahlperiode kann ein fortschritt sein, wenn beides gut ausgearbeitet wird.

     

    Frau Gaus hat übrigens Recht damit, dass die beginnende Debatte um die Verlängerung der Wahlperiode sich positiv für die AFD auswirkt. In den letzten Tagen wurde in mehreren Cafes und Gaststätten bereits über die Abzockmentalität der etablierten Politiker gewettert und ihnen nur die Sicherung ihrer Diäten für ein weiteres Jahr unterstellt.

    Dies habe ich mit eigenen Ohren mehrfach in der Mittagspause gehört!!!

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Liebe Frau Gaus,

     

    Auch Sie glauben an Verschwörungstheorien.

    Am "11. September" hat höchstwahrscheinlich nach ihrer Ansicht eine internationale Verschwörung von Islamisten in den USA Terrorakte begangen.

    Über die Iran-Kontra-Affäre (Watergate) wissen Sie auch Bescheid - eine Verschwörung innerhalb der US-Behörden.

    Was ist "Dieselgate" anderes als eine Verschwörung?

    Wer vor Edward Snowden von einer Massenüberwachung durch die US-Geheimdienste gesprochen hat, war "Verschwörungstheoretiker" - was ist er*sie jetzt?

     

    Theorien können wahr oder falsch sein und Wissenschaftler sollten zumindest Falsifizierungskriterien angeben können, dafür, wann sie ihre Theorie aufgeben.

    Die meisten so genannten "Verschwörungstheoretiker" sind Verschwörungsideologen, weil sie keine wissenschaftliche Grundlage benutzen und sie auch bei Widerlegung aller ihrer Argumente nicht von ihrem Glauben abweichen werden. Darin haben sie allerdings mit so manchem/r Wirtschaftsprofessor*in, "Extremismus"forscher*in oder Soziolog*in etwas gemeinsam.

     

    Die soziologische und sprachliche Genauigkeit bei der Unterscheidung Theorie und Ideologie sollte m.E. sein, um nicht legitimes Hinterfragen von politischen Ereignissen und investigativen Journalismus mit sozialer Ausgrenzung zu bestrafen und gleichzeitig des Wort "Theorie" zu missbrauchen und zu entwerten!

     

    Was es bringt, das Wort "Verschwörung" zu gebrauchen, ist eine andere Frage, denn sie haben selbst auf "Verschwörung" verwiesen, als sie "Verschwörungstheorie" geschreiben haben.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Sind Sie ganz sicher, daß Sie auf den richtigen taz - Artikel geantwortet haben? Es ging hier um die mögliche Verlängerung der deutschen Wahlperioden.

      Aber ich bin ganz sicher, daß Sie bald auch wieder einen Artikel finden, der zu Ihrer Kritik passt.

      Im Duden steht bei Verschwörungstheorie: 'Vorstellung, Annahme, dass eine Verschwörung, eine verschwörerische Unternehmung in Gang sei, dass etw. aufgrund einer Verschwörung geschehe'.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Sie wissen sehr genau, was sie tun wollen.

    Wenn man solche Sachen, wie TTIP oder CETA, Diesel oder Glyphosat u.a. richtig schnell durchdrücken will, ohne daß die Pfuscher aus der Justiz da ihren Senf dazugeben und eventuell Schwierigkeiten oder gar Blockaden machen, dann braucht man als CDU oder SPD Planungssicherheit und die Garantie, daß Justiz und Wähler einen nicht einfach abwählen können, während die Sache nicht in trockenen Tüchern ist.

    Wenn der Politiker was will, soll er so lange an der Macht bleiben, bis sein Vorhaben zu Ende geführt ist.

    Der Politiker weiß doch schließlich, was er will. Oder?

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Danke, Frau Gaus!

    Sie haben mein Gefühl, meine unglaubliche Verblüffung angesichts dieser enormen Frechheit ( ich glaube nicht an Dummheit) in konkrete Worte gefasst.

    Ich habe den Eindruck, viele politische Entscheidungsträger wären froh, wenn es noch mehr rechten Zulauf gäbe. Hätten Sie einen Feind, den es zu bekämpfen gilt.

    Das wäre dann das einzige Thema mit dem sie sich beschäftigen müßten, alle anderen notwendigen Veränderungen könnte man getrost unter den Tisch fallen lassen.

    Erspart enorme Arbeit und die Pension ist trotzdem sicher.

    Mir wird übel!

    Bestärkt mich wieder in meiner, bisher einmaligen Entscheidung, dieses Mal nicht teilzunehmen an dem Irrsinn.