Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
"Der UNHCR soll künftig dort Flüchtlinge identifzieren, die Asyl in Europa bekommen könnten."
Und das Asylverfahren findet dann auch in von Konflikten und Armut geprägten Staaten wie Burkina Faso, Libyen oder Mali statt?
Ich glaube, Europa muss nicht jeden Flüchtling aufnehmen und ich glaube auch, dass es ein Problem ist, wenn immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie glauben, in Europa Sicherheit und Wohlstand finden zu können.
Aber andererseits frage ich mich auch, was muss noch passieren, damit sich die Außenpolitik der reichen Länder des Nordens gegenüber dem armen Süden ändert? Marokko, Tunesien, Libyen, Ägypten, Mauretanien - jedes dieser Länder ist von Verkrustungen, Korruption, Klientelismus und Repression geprägt und aus jedem dieser Länder will bereits ein großer Teil der Jugend flüchten.
Anrecht auf politisches Asyl hätten diese Menschen in der Regel nicht, denn sie beugen sich der Repression in ihren Länden, vielfach finden sie die aus der islamischen Religion begründete Unterdrückung der Frau oder der Status von Menschen quasi wie Sklaven ganz in Ordnung, nur für sich selbst suchen sie nach einer Lösung namens Europa. Und dieses Europa wird diese Menschen nicht nehmen und wenn die Menschen es irgendwie dennoch schaffen, dann werden Parteien am rechten Rand massiv dazu gewinnen. Für einen reinen Humanismus ist dann gar kein Platz mehr.
Dass viele EU-Staaten bewußt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, obwohl EU-Regelungen getroffen worden, zeigt ein Mal mehr, dass die EU dabei ist, ihren normativen Kern zu verlieren. Wenn ein Orban seine eigene Roma und Sinti-Bevölkerung nach Westen vertreiben kann, parallel keine Flüchtlinge aufnimmt und auch ansonsten einen rechtsextremen Gesamteindruck hinterlässt, stellt sich doch die Frage, wie lange die EU das aushalten kann. Was hier beim Thema Flüchtlinge gemacht wird, ist doch nur eine Ausflucht, ein Versuch ein bestehendes Problem medial zu lösen.
Israels „begrenzte Bodenoffensive“ im Libanon birgt immense Gefahren. Nicht nur Iran steigt in den Krieg ein. Die Welt schaut ohnmächtig zu.
Kommentar Pariser Flüchtlingsgipfel: Am Ende soll niemand kommen
Die EU macht neue Pläne für die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen. Ihr Beschluss bleibt vage und ändern wird sich mal wieder nichts.
Macron und Merkel hecken etwas aus. Der Rest der Welt ist Beiwerk Foto: dpa
Asyl-Vorentscheide im Sahel, dann die freiwillige Aufnahme durch Europa – so will die EU ihr Flüchtlingsproblem lösen. Das ist das Ergebnis des Migrationsgipfels, zu dem Frankreichs Premier Emmanuel Macron am Montag nach Paris eingeladen hatte. Die EU setzt dabei auf drei Länder: Die beiden ärmsten Staaten der Welt, Tschad und Niger, sowie das größtenteils von bewaffneten Banden und Dschihadisten beherrschte Libyen.
Die Idee ist nicht neu. Otto Schily und Tony Blair brachten sie schon 2004 erstmals auf. Sie scheiterte bislang vor allem an einem Punkt: Kein Staat im Maghreb, der zunächst im Gespräch war, mochte sich als Standort für die europäischen Asyl-Lager hergeben. Denn es war absehbar, dass nur ein Bruchteil der dort Ankommenden je die Erlaubnis erhalten würde, in die EU auszureisen. Viele der Übrigen würden sich rund um die Lager stauen.
Jetzt sind drei Länder im Spiel, die kaum etwas zu verlieren haben. Für Niger und Tschad sind die drei- bis vierstelligen Millionensummen, die Europa anbietet, schlicht nicht auszuschlagen. Und die so genannte Regierung Libyens ist ohne die Unterstützung der EU nichts. Also machen sie mit.
Der UNHCR soll künftig dort Flüchtlinge identifzieren, die Asyl in Europa bekommen könnten. Die sollen dann freiwillig von der EU aufgenommen werden. Es gibt heute bereits Mechanismen, in denen die EU die mehr oder weniger freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen zugesichert hat. Ihnen ist eins gemeinsam: Fast niemand darf am Ende kommen.
Schleppende Verteilung
Da ist zum Beispiel der Verteilmechanismus innerhalb der EU von 2015. Über den sollten in den bis 2017 insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten ausreisen können. Bis zum 24. August wurden gerade 27.000 tatsächlich umverteilt, 17 Prozent – und das trotz enormen Drucks aus Brüssel. 12 der 28 Staaten nahmen keinen einzigen Flüchtling aus Italien.
Dann gibt es das Resettlement-Programm des UNHCR, der in der ganzen Welt Flüchtlinge identifiziert, die besonders dringend umgesiedelt werden müssen. Also genau das, was der UNHCR künftig im Auftrag der EU mit den Flüchtlingen im Sahel tun soll. 2016 suchte der UNHCR für 165.000 Menschen in extremer Not einen Aufnahmeplatz. Etwa 10.000 davon nahm die EU.
Schließlich das im EU-Türkei-Deal versprochene „Instrument zur freiwilligen humanitären Aufnahme“ von Syrern aus der Türkei – es wurde nie umgesetzt.
So würde es auch in Zukunft sein. Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, dass die Staaten Europas eher bereit sind, Flüchtlinge aus den hinterletzten Winkeln der Sahara nach Hannover, Barcelona und Montpellier zu fliegen, wenn sie nicht mal welche aus Verona und Thessaloniki zu übernehmen bereit sind.
Solche Lager würden nichts weiter sein als Endlagerstätten für das Elend der Welt
Die Menschen würden also in den Lagern in der Wüste bleiben oder wieder zurück geschickt, dahin, wo sie hergekommen sind. Solche Lager würden nichts weiter sein als Endlagerstätten für das Elend der Welt.
Noch allerdings ist es nicht soweit. Der am Montag in Paris getroffene Beschuss ist überaus vage, kaum eine der vielen Fragen, die sich zur konkreten Umsetzung stellen, wird darin beantwortet. Bislang sind noch alle großen Libyen-Pläne der EU im Wüstensand verlaufen. Fürs erste dürfte also alles so bleiben, wie es ist.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Schwerpunkt Flucht
Kommentar von
Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Themen