piwik no script img

Hetz-ProtokolleArppe droht die Abwahl

Der Landtag von MV überlegt, wie man den bisherigen AfD-Vorstand Holger Arppe, der seine Gewaltfantasien nicht an sich halten kann, rausvoten kann

Arppe, Volksverhetzer seit 2015, ist mittlerweile selbst der AfD zu geschwätzig Foto: Bernd Wuestneck (dpa)

HAMBURG taz | Holger Arppe macht sich ganz besondere Gedanken. Manche „Leute in der Bürgerschaft“ in Rostock, zitiert er einen Bürgerschaftskollegen bei Facebook, könne er sich nur „mit einem Loch im Kopf“ verstellen. Dieser Chat ist nur eine Passage aus rund 12.000 Seiten Chat-Protokollen, die der NDR und die taz zusammengetragen haben. Arppe verunglimpft darin Parteikollegen, will das „rot-grüne Geschmeiß aufs Schafott“ schicken, träumt von Deutschland als einem Apartheid-Staat und ergeht sich in brutalen Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien.

Aus seiner Partei und der Landtagsfraktion ist Arppe ausgetreten, nachdem die Chats bekannt wurden. Sein Sitz im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung wurde ihm entzogen und zuletzt hatten ihn SPD, CDU und Linke sowie seine eigene Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern aufgefordert, sein Landtagsmandat abzugeben. Arppe aber will seine Mandate in der Rostocker Bürgerschaft und im Landtag behalten.

Am Mittwoch entscheidet nun die Rostocker Bürgerschaft auf Antrag der Fraktion Rostocker Bund über Arppes Abwahl aus mehreren Gremien. Er ist als Bürgerschaftsmitglied auch in der Verbandsversammlung der Planungsregion Rostock und in der Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindetages vertreten. Er solle gehen, weil seine Glaubwürdigkeit verlorengegangen sei, so die Begründung der Antragsteller.

Den Fall Arppe will Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) nun zum Anlass nehmen, eine Verfassungsänderung durchzusetzen – mit dem Ziel, Abgeordnete wie Arppe das Mandat aberkennen und aus dem Landtag ausschließen zu können. Eine entsprechende Regelung gibt es bereits in Brandenburg. Und auch andere Landtage haben solche Regelungen, die sich jedoch gegen korrupte Parlamentarier richten.

Sollte Arppe sein Mandat nicht abgeben, könne er bis zum Ende der Legislatur seine Diäten beziehen – im Landtag erscheinen muss er dafür nicht. Das Geld dürfte ein Grund sein, warum der Galerist an seinem Mandat hängt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Das sind die Regeln unseres Parlamentes. Wenn sich jemand strafbar verhält, so verliert er dadurch nicht seinen Sitz im Parlament. Wäre das so, so wäre die Gefahr politischer Justiz wie in der Türkei größer. Bei uns ist die Justiz "nur" insoweit politisch, als regierungsnahe Straftaten kaum verfolgt werden.

    Schaden tut dies im Übrigen hauptsächlich der AfD. Aber sie hat es sich auch zuzuschreiben so jemanden auf die Liste gestellt zu haben.

    Niemand problematisiert übrigens, dass diese Chat-Protokolle veröffentlicht wurden. Als Clintons Mails veröffentlich wurden, klang das ganz anders. Beidesmal wurde Fehlverhalten gezielt an die Presse gegeben. Beidesmal ist es wahrscheinlich dass irgendein Geheimdienst dahinter steckt. Darüber von diesen Abgründen zu erfahren, bin ich trotzdem froh. Allerdings ist es problematisch, dass dies selektiv geschieht und wir daher in der Hand der Geheimdienste sind: Verfassungsschutz, CIA und russischer Geheimdienst.

    • @Velofisch:

      Das stimmt so nicht ganz... taz und der NDR haben hier aufgedeckt, das sind keine Schlapphüte, sondern Journalisten.

      Trotzdem stimme ich bei dem selektiven Geschehen zu.

  • die völlig abgedrehten sexualvorstellungen mit minderjährigen hat der obige artikel weggelassen.

     

    der typ kann ohne weiteres als widerling bezeichnet werden.

  • Im Sinne des Kinderschutzgedankens und ggf. gesetzlicher Verpflichtungen zum Schutz von Kindern vor Gewalt und Missbrauch, halte ich es für dringend notwendig, die Umtriebe Holger Arppes und seiner Chatpartner durch die zuständigen Behörden zeitnah untersuchen zu lassen https://beauftragter-missbrauch.de/recht/strafrecht/verdachtsfall-und-anzeigepflicht/#BehoerdenundAemter-DiePolizeiistverpflichtet-dasJugendamtnicht

     

    Das Handelsblatt schrieb heute:

    „Ein AfD-Funktionär droht politischen Gegnern Gewalt an. Als dies bekannt wird, verlässt er die Partei. Für die AfD könnte der Fall noch ein Nachspiel haben. Ein Staatsrechtler bringt drastische Konsequenzen ins Spiel.“ http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl/alle-schlagzeilen/der-fall-arppe-und-die-folgen-staatsrechtler-bringt-afd-beobachtung-ins-spiel/20302334.html

    Holger Arppe sitzt als Landtagsabgeordnter in mehren Gremien. Unter Anderem im Bildungsausschuss und als Stellvertreter im Sozialausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Durch sein politisches Mandat wurde Herr Arppe nicht nur mit besonderer Macht ausgestattet, sondern hat auch Einblick in Interna, was Kinder- und Jugendschutzaspekte betrifft. Es ist mittlerweile bekannt, dass es zu den Strategien von TäterInnen gehört, sich Räume zu suchen, in denen sie sich besonders leicht Zugriff auf ihre Opfer verschaffen können. Zudem neigen Missbrauchskriminelle dazu, ihre Taten im Verbund zu planen, durchzuführen und zu vertuschen. Es wäre demnach angezeigt, zu eruieren, ob es unter Arppes Chatkontakten weitere Personen gibt, die sich im näheren oder weiteren Sinne beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Und inwieweit es bei ihnen weitere Indizien für Sexualstraftaten gegen Kinder, Jungendliche oder Erwachsene gibt.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen erwachsenen Menschen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden