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Honorarerhöhung für DozentenKunst bleibt brotlos

Von den Honoraren an Musik- und Volkshochschule kann keiner leben. Jetzt wurden sie um ein paar Euro erhöht – zum ersten Mal seit Einführung des Euros

Macht Spaß, aber arm: Musik Foto: dpa

Bremen taz | Sucht man auf den Berufsinformations-Seiten der Arbeitsagentur nach dem Begriff „Musikschullehrer“, dann kommen unter anderem folgende Angaben: „Musikschullehrer/innen erarbeiten Unterrichtskonzeptionen, setzen diese um und leisten Hilfestellung beim Einüben von Musikstücken und beim Ensemblespiel.“ Selbstverständlich sind sie Profis auf ihrem jeweiligen Instrument, haben für den Unterricht ein pädagogisches Konzept, berücksichtigen dabei die persönlichen Voraussetzungen und Neigungen der SchülerInnen und organisieren Vorspiele und Konzerte. Unter „Verdienstmöglichkeiten“ schreibt die Arbeitsagentur: „Beispielhafte tarifliche Bruttogrundvergütung im Tarifbereich öffentlicher Dienst (monatlich): € 3.546 bis € 5.626.“

Die rund 90 Honorarkräfte an der Musikschule Bremen können von solchen Tarifen nur träumen: Sie erhalten ab Oktober pro Unterrichtsstunde 24 Euro. Brutto. Davon zahlen sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Übrig bleibt dann nicht mehr viel. „Wir geben alle noch privat Unterricht, konzertieren – und manche Kollegen verdienen sich auch als Verkäufer im Klamottenladen etwas dazu“, sagt der Schlagzeuger Gerhard Suhlrie, der seit zwölf Jahren an der Musikschule arbeitet.

Die erste Erhöhung seit 15 Jahren

Bis vor Kurzem erhielten die Honorarkräfte gerade mal 20 Euro pro Einzel-Unterrichtsstunde – die jetzige Erhöhung ist die erste seit der Einführung des Euros im Jahr 2002. Stück für Stück wurde in den vergangenen Jahren außerdem die Anzahl der Tarifbeschäftigten heruntergefahren – und die Zahl der Honorarkräfte aufgestockt, die nun für die Musikschule den „grundlegenden Beitrag zum Bildungs-, Kultur- und Informationsauftrag der Stadtgemeinde Bremen“ leisten. So ist in der geltenden Unterrichts- und Entgeltordnung der Auftrag der Musikschule umrissen, die als Eigenbetrieb der Stadt Bremen gehört.

Wir gehen nicht davon aus, dass es prekäre Arbeitsverhältnisse sind

Alexandra Albrecht, Kulturressort

Die kulturpolitische Sprecherin der Linken Miriam Strunge spricht von „prekären Arbeitsverhältnissen“. Ihre Fraktion fordert in einem Antrag an die Stadtbürgerschaft eine deutliche Erhöhung der Honorare an der Musikschule ebenso wie an der Volkshochschule (VHS), mehr Festanstellungen und ein Konzept zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie bezahlten Urlaub. „Bei diesen Honorarsätzen“, so Strunge weiter, „ist ein Leben ohne Armut kaum möglich und Grundsicherung im Alter programmiert.“ Auch der Saxophonist Christian Janssen sagt: „In unseren jährlichen Rentenbescheiden steht: Wenn Sie so weitermachen wie bisher, kriegen Sie 400 bis 500 Euro Rente.“ Janssen unterrichtet seit 2001 an der Musikschule. „Das trifft uns voll. Letztlich muss der Staat später das aufstocken, was er uns jetzt nicht bezahlt“, sagt der Saxophonist.

Die Stadt zahlt nicht mehr

„Wir gehen nicht davon aus, dass es prekäre Arbeitsverhältnisse sind“, sagt dagegen Alexandra Albrecht, Sprecherin des Kulturressorts. Zumindest bei der VHS gehe man davon aus, dass die Honorarkräfte „das nebenbei machen“ und nicht davon leben müssen. Zum Vorwurf der Linken, dass die jetzige Erhöhung der Honorare aus Eigenmitteln der Musikschule und der VHS bezahlt werden muss und die Stadt sich nicht weiter daran beteilige, sagt sie: „Beide Betriebe erwirtschaften Gewinne. Die könnte man ihnen natürlich wegnehmen“, aber es sei ja besser, die Gewinne für die Honorarsteigerungen zu verwenden. Zudem beteilige sich die Stadt ja über den Grundetat durchaus an den Honorarsteigerungen.

Doch auch die Deutsche Rentenversicherung scheint sich inzwischen für die Arbeitsbedingungen der Honorarkräfte zu interessieren: Sie prüft offenbar derzeit, ob es sich um Scheinarbeitsverhältnisse handelt und hat alle Honorarkräfte der Musikschule angeschrieben.

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