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Regierung will Polizeizusammenarbeit mit Türkei neu regeln

FOLGEN Justizminister regt Verständigung auf EU-Ebene an. CDU-Politiker fordert Sanktionen gegen Erdoğan-Umfeld. Schriftsteller sammeln Spenden

BERLIN dpa/taz | Nach der zeitweiligen Festnahme des türkischstämmigen Schriftstellers Doğan Akhanlı in Spanien hat sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für eine Überprüfung der polizeilichen Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Türkei ausgesprochen. „Wir sollten zumindest innerhalb der EU dringend in einen intensiveren Dialog darüber einsteigen, wie wir mit Fahndungsersuchen aus der Türkei umgehen“, sagte er den Zeitungen der Funke Gruppe. „Das rechtsstaatliche Europa darf nicht zulassen, dass jeder Kritiker des türkischen Regimes der willkürlichen Verfolgung ausgesetzt ist“, mahnte Maas.

Der in Köln lebende deutsche Staatsbürger Doğan Akhanlı war während seines Urlaubs in Spanien festgenommen worden. Grund war ein türkischer Fahndungsaufruf über Interpol wegen einer angeblichen Beteiligung des Schriftstellers an einem Raubüberfall im Jahr 1989. Akhanlı ist inzwischen unter Auflagen wieder frei, auch nachdem die deutsche Regierung sich massiv für ihn eingesetzt hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in diesem Zusammenhang am Sonntag von einem Missbrauch internationaler Organisationen durch die Türkei gesprochen. Von Seiten von Grünen und SPD gab es aber auch kritische Fragen, warum die deutschen Behörden Akhanlı nicht vor dem türkischen Fahndungsaufruf gewarnt haben. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter plädierte als Reaktion auf die verschärften Verbalattacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf die Bundesregierung für Sanktionen direkt gegen dessen Familie. „Beispielsweise sehe ich den Hebel, dass wir das Auslandsvermögen des Erdoğan-Clans einfrieren“, sagte Kiesewetter am Dienstag. Es gehe ihm um Maßnahmen auf europäischer Ebene. „Hier sehe ich sehr große Möglichkeiten.“

Für den in Spanien mit der Gefahr einer Auslieferung an die Türkei konfrontierten Schriftsteller hat die Schriftstellervereinigung PEN unterdessen einen Spendenaufruf gestartet. Anwaltskosten sowie die Kosten für das erzwungene Warten auf eine gerichtliche Entscheidung, die zunächst bis zu 40 Tage dauern könne, müssten vom Autor selbst getragen werden, teilte das PEN-Zentrum Deutschland am Dienstag in Darmstadt mit. Dies werde „die finanziellen Möglichkeiten der Familie übersteigen“, so der Schriftstellerverband.

Akhanlı gilt als kritischer Intellektueller, der sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte der Türkei und dem Völkermord an den Armeniern befasst.

Nachdem der frühere taz-Redakteur und heutige Welt-Korrespondent Deniz Yücel in der Türkei verhaftet worden war, hatte sich Akhanlı in einem Brief an Yücel gewandt und ihm Mut zugesprochen.

Den Brief von Akhanlı an Yücel dokumentiert die taz unter: www.taz.de/knastbrief

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