: Mitmachen ist cool
Etwas tun Jahrelang schrumpften die Parteien, bei vielen Mitgliederversammlungen wurde es dünn. Nun ist der Schwund gebremst – vor allem junge Leute finden wieder Gefallen am Engagement. Allerdings sind noch relativ wenig Frauen dabei
AUS BERLIN Anna Lehmann
Die Grünen und die Linkspartei in Deutschland können Donald Trump dankbar sein. Der Wahlsieg des Republikaners im Kampf um die US-Präsidentschaft bescherte ihnen 2016 eine kleine Eintrittswelle. So verzeichneten die Grünen für das vergangene Jahr einen neuen Mitgliederrekord: Mit 5.473 Neuzugängen stieg die Zahl der Parteimitglieder auf knapp 61.600. Und bei der Linkspartei blieb die Mitgliederzahl erstmals seit 2009 ausgeglichen, da 5.406 Parteineulinge die Zahl der abgängigen Genossen fast wettmachten. Zum Stand Ende Dezember 2016 waren rund 58.900 Menschen bei der Linken aktiv.
Eine positiven Saldo konnten auch die FDP mit rund 4.100 Neumitgliedern und die AfD – etwa 4.000 Eintritte – verzeichnen.
Wird die klassische Form des politischen Engagements in Deutschland also wieder attraktiver, nachdem es jahrelang hieß: Den Parteien rennen die Leute davon?
Von einer Trendwende würde er noch nicht sprechen, sagt Oskar Niedermayer, Professor an der FU Berlin, der die Mitgliederzahlen der Parteien seit Jahrzehnten analysiert. Seine Studie für 2017 hat er im Juli online gestellt (www.polsoz.fu-berlin.de). „Aber es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Kurve abflacht“, so Niedermayer zur taz.
Insgesamt weist die Kurve der Parteimitglieder in Deutschland seit längerer Zeit kontinuierlich nach unten – seit 1990 hat sich ihre Zahl halbiert. Nur noch 1,2 Millionen von rund 70 Millionen Deutschen über 17 Jahren gehören einer Partei an. Das hat laut Niedermayer unterschiedliche Gründe: Es gebe eine Fülle von Angeboten, sich außerhalb von Parteien politisch zu engagieren, sagt er. Außerdem gebe es heutzutage viel mehr Möglichkeiten, seine Freizeit auf unpolitische Weise zu verbringen.
Und dennoch: Gerade unter Jugendlichen ist die Bereitschaft relativ stark, sich politisch zu engagieren: „Bei den Parteieintritten sind jüngere Leute im Vergleich zur Bevölkerung in allen Parteien deutlich überrepräsentiert“, stellt Niedermayer fest.
Je nach Partei ist etwa ein Drittel bis fast die Hälfte aller Neumitglieder noch keine 30 Jahre alt. Bei der CDU, die 2016 rund 13.000 neue Mitglieder in ihren Reihen registrierte (die allerdings nicht ausreichten, um den Schwund auszugleichen), beträgt der U30-Anteil unter den Neumitgliedern 30 Prozent. Bei der Linkspartei ist fast jedes zweite Neumitglied in den Zwanzigern.
Frauen sind in allen Parteien und auch bei den Neumitgliedern unterrepräsentiert. Am besten schneiden die Grünen ab, die einen innerparteilichen Frauenanteil von fast 40 Prozent aufweisen. Am männlichsten geprägt sind AfD und CSU – hier sind um die 80 Prozent der Mitglieder Männer. 2017 könnte für die Parteien ebenfalls ein gutes Jahr werden. „Generell haben es Parteien in Bundestagswahljahren leichter, neue Mitglieder zu gewinnen“, sagt Niedermayer.
Die SPD konnte ihre Hausse schon verkünden – nach der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten am 24. Januar verzeichnete sie insgesamt 6.135 Online-Eintritte – also durchschnittlich 292 Online-Eintritte am Tag. Für gewöhnlich liege der Durchschnittswert zwischen 20 bis 25 Online-Anträge pro Tag, teilt die SPD-Pressestelle auf Anfrage mit. Etwa die Hälfte der Neumitglieder sei unter 35 Jahre alt. Damit, so Niedermayer, sei der Schulz-Effekt bei der SPD sogar deutlich stärker gewesen als der Trump-Effekt bei den anderen Parteien.
Im Überblick:
Parteimitglieder und anteilige Mitgliedergewinne und -verluste zum 31. 12. 16
SPD: 432.706 (–2,3 Prozent im Vgl. zu 2015)
CDU: 431.920 (–2,8)
CSU: 142.412 (–1,3)
Grüne: 61.576 (+3,7)
Linke: 58.910 (–0,1)
FDP: 53.896 (+1,3)
AfD: 26.409 (+61,2)
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