Maduros Politik in Venezuela: Corbyn träumt weiter
Labour-Chef Jeremy Corbyn tut sich schwer damit, Maduros Politik zu kritisieren. Der Wunsch nach einem funktionierenden Sozialismus scheint zu groß.
Jeremy Corbyn, Vorsitzender der Labour Party, steht immer mehr im Scheinwerferlicht. Laut einer Meinungsumfrage von Mitte Juli ist er beliebter als Premierministerin Theresa May. Der bis vor Kurzem noch als linker Kauz verschriene Politiker, den seine Partei 2016 noch loswerden wollte, steht schon seit einiger Zeit auf der ganz großen politischen Bühne und damit bekommen auch seine Worte mehr Gewicht.
Ganz zum Leid seiner Partei. Denn wie gut Corbyn auch in den Umfragewerten dastehen mag, er bleibt immer noch Corbyn: Das sieht man aktuell vor allem beim Thema Venezuela. Hier werden auch aus seiner eigenen Partei immer mehr Stimmen laut, die Corbyn auffordern, sich von Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro zu distanzieren.
Dieser rief zuletzt eine verfassungsgebende Versammlung ein, um so das Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit hat, zu umgehen. Oppositionsmitglieder, die ihm Wahlbetrug vorwerfen, ließ er kurzerhand zu Hause abgreifen und einsperren. Und auch die seit April andauernden Proteste, die bereits 120 Tote forderten, nimmt er in Kauf, um an der Macht zu bleiben.
Trotzdem ringt sich Corbyn am Montag in Crawley, als er auf Maduro angesprochen wird, nur dazu durch, die Gewalt auf beiden Seiten zu verurteilen. Sie führe schließlich zu keiner Lösung. Weiter betont er, dass man nicht vergessen dürfe, wie sehr sich die Regierung bemüht hat, „Armut und Analphabetismus zu bekämpfen und das Leben der Ärmsten zu verbessern“.
Im Klartext: Vielleicht macht Maduro jetzt ein paar Fehler, aber hey, irgendwann wollte er auch mal Gutes tun.
Der Rest der Labour Party müht sich nun umso mehr, sich nicht zurück in die Ecke der Sozialisten von vorgestern drängen zu lassen, und bezieht klar Stellung: Emily Thornberry, Labours Außensekretärin im Schattenkabinett, hat Maduros „immer autoritäre Linie“ durch einen Sprecher kritisiert. Dieser sagte, dass Labour die venezolanische Regierung bereits aufgefordert habe, die Menschenrechte zu achten, und vor weiteren Repressionen und Gewalt gewarnt.
McInnes, Abgeordnete der Labour-Partei, sagte außerdem: „Wir verlangen von der venezolanischen Regierung vor allem, ihre Verantwortung wahrzunehmen die Menschenrechte, Meinungsfreiheit und das Gesetz zu wahren.“
Die Worte des Vorsitzenden der Partei wiegen trotzdem schwer. Gerade bei seinen jungen Wählern werden seine Aussagen wohl auf wenig Verständnis treffen. Der lateinamerikanische Sozialistentraum, aus dem Corbyn scheinbar nicht aufwachen will, ist nämlich nicht ihr Traum, dafür sind sie schlicht zu jung.
Corbyns Liebe für Venezuelas Sozialismus besteht nicht erst seit gestern: Bereits 2013 beschreibt er Maduros Vorgänger, Hugo Chavez, als „eine Inspiration für uns alle, die gegen die harte und neoliberale Wirtschaft Europas kämpfen.“ 2014 lässt er sich per Telefon live ins venezolanische Fernsehen zuschalten, um Maduro zu seiner Amtseinführung zu gratulieren.
Traum vom funktionierenden Sozialismus
Die Regierung hat aber seitdem eine sehr viel radikalere Richtung eingeschlagen: Neben einer verheerenden Misswirtschaft, die stetig steigende Medikamenten- und Lebensmittelknappheit mit sich bringt, nehmen die politischen Probleme immer weiter zu: Bereits seit März diesen Jahres versucht Maduro das Parlament zu entmachten, wodurch fast tägliche Demonstrationen das Straßenbild beherrschen.
Während man eine solche Entwicklung in anderen Ländern – Beispiel Türkei – sofort mit einer Verwandlung in eine Diktatur gleichsetzt, schafft es Corbyn anscheinend nicht, diese Tatsache mit seinem Traum vom funktionierenden Sozialismus in Einklang zu bringen.
Ob das nun daran liegt, dass er ein Problem damit hat, seinen eigenen Worten aus der Vergangenheit zu widersprechen, oder damit, dass er tatsächlich nicht sieht oder sehen will, was da gerade in Venezuela passiert, ist im Endeffekt egal. So oder so ist ein derartiges Abstreiten der Realität für einen Mann in seiner Position untragbar. Vielleicht gehört er einfach doch eher an den politischen Rand – oder schlichtweg in die Vergangenheit.
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