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Privatisierung der WasserversorgungIn Griechenland brechen alle Dämme

Die EU schließt eine Privatisierung der Wasserversorgung aus. Doch in Athen regieren die Gläubiger. Investoren dürfen jetzt zuschlagen.

Eine sommerliche Erfrischung in Athen? Könnte teuer werden Foto: Reuters

Brüssel taz | Der Streit über die Privatisierung der Wasserversorgung in Europa lebt wieder auf. Grund sind Auflagen der Gläubiger an Griechenland. Neben der Metro in Athen soll die griechische Regierung auch Wasserwerke in der Hauptstadt und in Thessaloniki verkaufen.

Nun übergaben Aktivisten der Internetplattform „We Move“ und des deutschen Netzwerks Griechenland-Solidarität 170.000 Unterschriften an den Vorsitzenden der Eurogroup Working Group, Thomas Wieser, in Brüssel. Die Unterzeichner aus Griechenland, Deutschland, Irland und Frankreich fordern einen Stopp der Privatisierung.

Wieser hatte sich lange gesträubt, die Unterschriften entgegenzunehmen. Er erklärte sich für unzuständig, genau wie die EU-Kommission, die 2013 eine umstrittene Vorlage zur Wasserprivatisierung nach Protesten zurückziehen musste.

„Die EU-Behörden spielen Pingpong, keiner will die Verantwortung übernehmen“, kritisiert Andrej Hunko, Bundestagsabgeordnete der Linken, der in Brüssel gegen die umstrittene Privatisierung protestierte. Er kritisiert auch weitere EU-Auflagen wie die Kürzung der Renten und Sozialleistungen, den Abbau von Beschäftigtenrechten und Steuererhöhungen. „Die Europäische Union muss ihre Politik gegenüber Griechenland radikal ändern“, so Hunko.

Sechs Milliarden Euro Privatisierungserlöse geplant

Doch dafür gibt es keine Anzeichen: Die Eurogruppe hat gerade freigegebene Milliardenkredit an Athen mit der Auflage verbunden, die Privatisierung energisch voranzutreiben. Bis 2018 sollen insgesamt sechs Milliarden Euro eingetrieben werden.

EU-Behörden spielen Pingpong, keiner will Verantwortung übernehmen

Andrej Hunko, Die Linke

Auf der Verkaufsliste der auf deutschen Druck gegründeten Privatisierungs-Agentur HRADF stehen neben den Wasserwerken auch die Bahn, die Post, das Olympiastadium in Athen und die Messegesellschaft in Thessaloniki. Lukrative Regionalflughäfen gingen bereits an den Frankfurter Airport-Betreiber Fraport, der Deal war auf Druck von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgezogen worden.

Mit den Folgen wollen weder Schäuble noch die EU-Politiker etwas zu tun haben. Im dritten „Memorandum of Understanding“ sei festgelegt, dass sich die Qualität der Wasserversorgung durch die Privatisierung nicht verschlechtern, sondern sogar verbessern würde, teilte Wieser mit.

Kritiker fürchten, dass Griechenland als Präzedenzfall privaten Konzernen doch noch Zugang zum Wassermarkt verschaffen soll. Zu den Hauptinteressenten in Griechenland gehört nach Angaben von Aktivisten der französische Konzern Suez. Vor vier Jahren hat die EU eigentlich Wasserprivatisierung ausgeschlossen.

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12 Kommentare

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  • Andere Frage, googlt doch mal nach Vittel, die nette französische Gemeinde und deren Bürger müssen nun viele Millionen an Euros für eine Pipeline ausgeben, da Nestlé ihnen das Wasser wegpumpt, damit diese aus einen fremden Ort das Wasser beziehen können. Dann schaut mal nach Themse Wather (meist auf Englisch) wo die kaputten Rohre einfach so gelassen wurden und mehr Chemie das Wasser beigemischt wurde damit der ganze Dreck darin nicht auffällt, dafür sind in den Jahren die Leitungswasserpreise verzehnfacht worden. Wenn die Privatisierung so schleichend durch Europa hereinbricht, wie sieht es mit eurem Wasser bei euch morgen aus? Wie sieht es bei unserem Wohnungsmarkt heute aus? Ab ende der 90er Jahre wurde privatisiert, die meisten Häuser waren in einen schlechten Zustand und wurden für einen Apfel und ein Ei privatisiert. Dann wurde noch weiter runtergewirtschaftet bis diese modernisiert werden mussten, weil es nun auf die Miete umgelegt werden kann und es gibt sehr viele Leerstände während der Marktpreis steigt und die Renditen am hösten sind auf den Markt bei 0% Zinspolitik, wollt ihr das auch bei euren Leitungswasser? Wenn es in Grichenland durchgeht, wird es in Deutschland in 10 Jahren auch so sein, es ist ein Feldversuch es durch die Hintertür durchzubekommen.

  • "Vor vier Jahren hat die EU eigentlich Wasserprivatisierung ausgeschlossen."

     

    Suez ist der Wasserversorger in Frankreich ... und dann kommt ganz lange nichts mehr. Wo steht wirklich, dass die das nicht dürften?

     

    Und wer hat Informationen, ob Suez tatsächlich einen schlechteren Job macht als zum Beispiel Gelsenwasser oder die Hamburger Wasserversorgung?

  • Die gesamte Wasserversorgung in Griechenland steht auf mittlere Sicht vor dem Zusammenbruch. Die Infrastruktur ist in einem katastrophalen Zustand. In den Gebieten die ich kenne sind Wasseruhren oder ähnliches unbekannt.und das in einen niederschlagsarmen Land.

    Der Investitionsbedarf dürfte in den nächsten Jahren bei mehreren Milliarden liegen. Problem: Die kommunalen Wasserwerke und die öffentlichen Eigentümer haben nie Rücklagen gebildet, das eingenommene Geld wurde über Jahrzehnte in einen aufgeblähten Personal Apparat gesteckt.

    Jetzt steht man vor dem Scherbenhaufen. Für notwendige Investitionen brauchen die Eigentümer, sprich die Kommunen oder Gebietskörperschaften Geld. Da sie aber praktisch bankrott sind, werden sie keinen Kreditgeber finden. Bleibt die Lösung an strategische Investoren zu verkaufen, die die ersten Jahre richtig viel Geld in die Hand nehmen müssen, um das Wassersystem von Grund auf zu sanieren. Die wollen natürlich ihre Rendite auf das eingesetzte Kapital.

    Diese Entwicklung empfinde ich auch als bedauerlich, nur mir fehlt ein konstruktiver Vorschlag für einen alternativen Weg.

    Die Personen, die die Petition gegen die Privatisierung unterschrieben haben, könnten ja mal überlegen ob sie den bankrotten Wasserwerken von Thessaloniki 1000 Euro leihen würden. Wenn ja: 170 000 * 1000 sind 170 Millionen, damit ließe sich schon mal was machen

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Geschäfte machen mit dem Durst der Armen. Das weisse Gold ist eine schier endlose Einnahmequelle. Die Luft ist zwar immer noch umsonst, aber saubere Luft gibt es nur da, wo man teuer wohnen kann, also nicht neben der Stadtautobahn.

    Aber der freie Markt richtet und lenkt alles im Sinne der Mächtigen und Besitzenden.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      und was passiert im "nichtfreien" Markt? Ist Kommunismus besser ? DDR ? Nord Korea ? Russland ? wie hätten sie es denn gerne...

      • @Klartexter:

        vllt. reicht einfach die alhergebrachte Soziale Marktwirtschaft - dass hätte bei Ihnen den Beißreflex vermieden. Der 'freie Markt' hier ist der von der Politik protektionierte globale Raubtierkapitalismus - in Komplizenschaft agieren beide verbrecherisch

  • Ich kann mittlerweile verstehen, daß man Schäuble dort mit Hitlerbärtchen karikiert. Deutsche Firmen bedienen sich dort wie in einem Ramschladen. Das geht wirklich zu weit.

    • @kditd:

      Das erinnert auch an Ostdeutschland unter der beflissenen Treuhand...

       

      Das ist unerträglich ... und überaus beschämend! Herr Schäuble saniert seine Kasse und ruiniert unseren Ruf.

  • Öffentliche Wasserversorgung führt zu Klientelpolitik und Pfründen für Politiker, Privatisierung zum Ausverkauf. Es muss doch einen dritten Weg geben.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      Jedes System ist so gut wie die Menschen die es mit Leben erfüllen. Gibt durchaus Unternehmer die ihre Mitarbeiter und Kunden gut behandeln und bezahlen und es gibt Beamte die effizient arbeiten. Sinnig wäre es die Versorgung ist in Staatshand aber das ganze wird als Unternehmen geführt. Nicht mit Beamten sondenr normalen Angestellten. Ist glaube ich eine gesunde Kombination.

  • Sie fordern einen Stopp der Privatisierung in Griechenland

     

    »„Die EU-Behörden spielen Pingpong, keiner will die Verantwortung übernehmen“, kritisiert Andrej Hunko, Bundestagsabgeordnete der Linken, der in Brüssel gegen die umstrittene Privatisierung protestierte. Er kritisiert auch weitere EU-Auflagen wie die Kürzung der Renten und Sozialleistungen, den Abbau von Beschäftigtenrechten und Steuererhöhungen.«

     

    Wo bleibt die griechische Parlamentslinke? Wo die griechische Arbeiterbewegung und Gewerkschaften, falls sie noch existieren? Wo bleibt die Bewegung in den Betrieben und auf der Straße?

     

    Linke externe Hilfe ist wichtig und richtig, sie ist Teil jeder internationalen Solidarität! Aber letztlich muss die Bewegung für nachhaltige ökonomische, soziale, ökologische und politische Veränderung von der griechischen Bevölkerung, insbesondere von der politischen Linken, der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung kommen.

     

    Meines Erachtens gehört dazu auch eine wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitische Neuorientierung und eine Abkehr von der Futterkrippe und den Alimentierungstöpfen der Europäischen Union! Zweifellos ein schwerer Schritt für all diejenigen, die davon reichlich gelebt haben, unter dem vorausgegangen Korruptionssystem und gegenwärtig, unter Beibehaltung des ungelösten Zustands.

     

    Eine demokratische Aufgabe der Basisbewegung und ihrer Vertretung im bürgerlichen Parlament, soweit noch vorhanden, müsste auch darin bestehen, die Steuerhinterziehungen, die illegalen und zuvor geförderten privaten Vermögensaneignungen, nachträglich wirksam zu ahnden. Dazu gehört auch die Beschlagnahme von Konten und Vermögenswerten im Ausland. Hierfür müsste auch der von Korruption befreite staatliche Gewaltapparat eingesetzt werden!

  • Nein und nochmals nein - wer den Griechen beisteht, vertritt auch gesamteuropäisch Bürgerinteressen!