piwik no script img

Arte-Schwerpunkt zu britischer PopkulturPerlen in der Lakritzmischung

Eine Reise durch sechs Jahrzehnte Popkultur von der Insel: Der Arte-Programmschwerpunkt „Summer of Fish ’n’ Chips“ ist besser als sein Name.

Gastmoderator im Arte-Schwerpunkt: Enfant terrible Johnny Rotten Foto: reuters

Das Enfant terrible unter den Enfants terribles lässt sich entschuldigen: John Lydon alias Johnny Rotten, ist nicht gekommen. Gleich ein halbes Dutzend Verantwortliche aber hatte der deutsch-französische Fernsehsender Arte nach Hamburg entsandt, denn es gebe so viel zu sagen, hieß es, einer vorläufige Bilanz des ersten Halbjahres etwa war zu ziehen und hinzuweisen auf allerlei im Programm des zweiten.

Und dann sprechen die Damen und Herren aus Straßburg immer gerne über ihre sommerlichen Schwerpunkte. Diesmal also ein „Summer of Fish'n'Chips“, wobei diese fettige Fischspezialität als Platzhalter gesehen werden muss für „irgendwas Britisches“, sozusagen. Wen das Essen auf der Insel interessiert, der muss dieser Tage anderswo auf Arte suchen: In den „kulinarischen Abenteuern der Sarah Wiener“.

Die Vorstellung vor der Presse übernahm jetzt Oliver Schwehm aus der Arte-Kulturredaktion. Großbritannien sei nach wie vor das Mutterland, so Schwehm, „man könnte auch sagen: die Herzkammer des Pop“, und selbst wenn es um diese kulturelle Spitzenposition definitiv schon besser stand, geht das klar, richtet man den Blick hauptsächlich zurück. So spricht Schwehm denn auch von einer „Reise durch sechs Jahrzehnte britischer Popkultur“, an sechs Wochenenden, jeweils freitag- bis sonntagabends, „mit den markantesten Spielfilmen, Musik-Dokus und Konzerten“.

Pop ist dabei zuallererst mal Musik, und danach lange nichts: Die bestimmt den größten Teil des Programms, und dabei findet so vieles Platz, dass man's schon beliebig nennen möchte: die Stones live auf Kuba (16.7., 22.35 Uhr) und Radiohead in Berlin (16.7., 0.05 Uhr), Deep Purple beim „Hellfest“ (29.7., 23.50 Uhr) und John Lennon in New York (12.8., 0.15 Uhr), The Cure (5.8., 23.50 Uhr) und Sting (18.8., 22.40 Uhr). Dazu Dokus und Porträts über Joe Cocker (4.8., 22.15 Uhr), Queen (28.7., 21.45 Uhr) und „London Beat – Musik als Revolte“ (28.7., 22.25 Uhr), und das ist wirklich nur eine Auswahl.

Routiniert rotzige Videobotschaft von Johnny Rotten

Eine echte Premiere ist Christine Franz' „A Bunch of Kunst“: Hierzulande war die Dokumentation über die so zuverlässig wie begründet übellaunigen Council-housing-Rapper Sleaford Mods nur in einer Handvoll Vorführungen zu sehen – aber sie lohnt sich (28.7., 23.40 Uhr). Auch den Auftakt bildet nichts direkt aus dem Archiv, sondern der frische Zweiteiler „United Kingdom of Pop“, der beim Versuch, ein derart großes Ganzes in zwei mal 52 Minuten abzubilden, natürlich um Lücken und eine gewisse Sprunghaftigkeit nicht herum kommt (14.7., 21.50/22.45 Uhr).

Am Freitagabend folgt dann ein Mitschnitt der wiedervereinigten Komödiantentruppe Monty Python (23.40 Uhr), aber, ganz ehrlich: Besser fährt, wer die Serie „Fawlty Towers“, ebenfalls von und mit John Cleese, im Online-Angebot des Senders schaut.

24 Hour Party ­People erzählt die Geschichte der Musikstadt Manchester

„Hamburg hat die Beatles zu dem gemacht, was sie heute sind: unglaublich erfolgreich. Also habe ich nicht viel, für das ich euch danken kann“: Wenigstens diese routiniert rotzige Videobotschaft hatten die Arte-Leute ihrem Gastmoderator Lydon bzw. Rotten abgeschnackt. Der legendäre Sex-Pistols-Sänger lebt ja seit längerem gar nicht mehr da, wo der Programmschwerpunkt spielt, sondern in den USA, und hatte seine kurzen Einspieler schon im Mai im Kasten.

Eine Doku erzählt die Geschichte der Musikstadt Manchester

Seinem Witz wohnt insofern Wahrheit inne, als so ein Summer-of ja Dinge in einen Zusammenhang stellt, die, als sie frischer waren, vielleicht brisanter auch, nur schwer vereinbar gewesen wären.

Nun also ist Rotten, DAS Gesicht und DIE Stimme des klassischen, des britischen Punks von 1976/77, eben auch der Gastgeber für einen Konzertmitschnitt von Pink Floyd – just einer der Bands also, gegen deren Schwelgen und Entrücktheit und Virtuositätsgehuber Punk damals, na, wenn nicht gegründet wurde, so doch immerhin sich ausdrücklich richtete.

Welche Bombe Rottens Sex Pistols einmal waren, wie sie einschlugen im Land der Beatles und der Kunsthochschulrockbands, davon erzählt Michael Winterbottoms schöner Film „24 Hour Party People“ (22.7., 0.15 Uhr), den Arte jetzt erstmals einem breiten Publikum hierzulande zugänglich macht: die reichlich frei wiedergegebene Geschichte des Plattenlabels Factory, ach was: der Erfindung Manchesters als Musikstadt überhaupt.

Überhaupt die Spielfilme: Neben ein paar mit Musikbezug gibt es den Voyeurismus-Klasiker „Peeping Tom“ (6.8., 20.15 Uhr) und die furiose Zombie-Pastiche „Shaun of The Dead“ (6.8., 22.45 Uhr, die begleitet wird von einer Doku über die einst so einflussreichen Hammer-Studios, die Heimat von Christopher Lees Dracula-Interpretationen.

Auch wenn „Fish'n'Chips“ traditionell ganz klar Arbeiterklassenverpflegung bezeichnet, hat es Stephen Frears‘ „Die Queen“ ins Programm geschafft, auch wenn immerhin eingebettet in einen ganzen Abend zum Königshaus und seiner Chefin (23.7., ab 20.15 Uhr). Ein Klopper ist aber, dass ins „Summer of“-Programm ausgerechnet ein Film eingereiht wurde, der schottischer kaum sein könnte, heute also weniger britisch denn je: „Highlander – Es kann nur einen geben“ (30.7., 20.15 Uhr).

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Bei der Programmauswahl zum Thema kann man leider immer wieder feststellen das es auch beim "Kultursender " Arte scheinbar nur um Einschaltquoten im Sommerloch geht.

     

    Statt den wirklich relevanten Film zu Thema von Stephen Frears zu zeigen

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sammy_und_Rosie_tun_es

     

    zeigt man uns ne alte Oma

    und Faulty Towers in der deutsch synchronisierten lach-dich-schlapp-Fassung.

    Das war ARD-Alpha im Frühjahr mutiger. Die haben einfach das Original ohne Untertitel gezeigt.

     

    Aber danke für der Hinweis auf die Sleaford Mods! Wäre mir wahrscheinlich in der Musik-Dinosaurier Parade durchgegangen.

  • Ein Klopper ist aber, dass ins „Summer of“-Programm ausgerechnet ein Film eingereiht wurde, der schottischer kaum sein könnte, heute also weniger britisch denn je: „Highlander – Es kann nur einen geben“ (30.7., 20.15 Uhr).

     

    Die britischen Inseln umfassen auch Schottland. Um es geografiefernen Redakteuren möglichst einfach zu erklären: Britische Inseln = Wohnort der Engländer, Schotten, Iren, Waliser et. al., mithin der Briten. Es wird übrigens auch durch die offizielle Landesbezeichnung (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland) klar, das Schottland Teil Großbritannien ist. Insofern ist der Schlusssatz eher der Klopper, wenn auch ein unfreiwilliger...

    • Alexander Diehl , Autor des Artikels, Redakteur taz nord
      @Peter Rosenstein:

      Lieber Herr Rosenstein,

       

      Sie haben recht, wenn's nach dem Atlas geht. Aber: Austritts-Referendum und EU-Begehrlichkeiten spätestens seit dem Brexit-Votum - fragen Sie doch dazu mal einen (beinahe beliebigen) Schotten. Das war gemeint.