piwik no script img

Die WahrheitKiwis ohne Zucker

Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Die fetten Kinder von Down under sollen weniger Limo trinken. Das meint auch Jamie Oliver, der ihnen zu Hilfe eilt.

S o schön es hier unten im tiefen Süden ist – manchmal wird’s etwas langweilig. Als Entschuldigung heißt es dann immer: Neuseeland ist ein wunderbares Land, um Kinder großzuziehen. Stimmt. Heißt aber nicht unbedingt, dass es auch ein wunderbares Land ist, um Kind zu sein. Ein Unicef-Bericht hat uns gerade auf die hintersten Plätze verwiesen.

Laut dem „Innocenti Report“ ist Aotearoa alles andere als ein Kinderparadies. Was das Wohl seiner Jüngsten angeht, steht es unter den 41 OECD-Staaten an 34. Stelle. Die Selbstmordrate unter Teenagern ist in Neuseeland die höchste der Welt. Von hunderttausend Jugendlichen bringen sich fünfzehn jedes Jahr um – neunmal mehr als zum Beispiel in Portugal. Da helfen auch all die vielen Strände, freundlichen Menschen und eintrittsfreien Museen nicht.

Ein Fünftel aller Kiwi-Kinder lebt in relativer Armut. Und 32 Prozent der unter Fünfzehnjährigen sind übergewichtig – was erklärt, warum wir unter den OECD-Wohlstandsländern die Drittdicksten sind. Seit Kurzem wird daher die Zuckersteuer diskutiert, ähnlich wie bei Alkohol und Zigaretten. Wer springt jetzt unseren fetten Kids zu Hilfe, um sie von der süßen Geißel fernzuhalten? Niemand Geringerer als ­Jamie Oliver.

In Auckland fand gerade die „Fizz“-Konferenz statt. „Fizz“ heißt Limo, steht aber abgekürzt für „Fight Sugar in Soft Drinks“, und die Zuckersteuer ist das Kampfmittel. Denn Milch und Wasser in Flaschen kosten bei uns mehr als süße Drinks. Gesundheitsminister Jonathan Coleman von der National-Partei ließ sich bei der Veranstaltung jedoch nicht blicken, und auch sonst wäre das Symposium wohl ignoriert worden – hätte sich Jamie Oliver nicht mal kurz für uns Kiwis ein paar Minuten frei genommen, um eine Video-Botschaft zu schicken.

„Neuseeland, wie Großbritannien, hat mit die übergewichtigsten Kinder der Welt“, schimpft der Fernsehkoch in seinem Garten in die Handykamera. „Es ist ekelhaft. Es ist verrückt.“ Im Hintergrund ist Ehefrau Jules auf einer Parkbank zu sehen, die den zehn Monate alten Sohn River stillt. So was von gesund! Ihr Mann war die Speerspitze der Zuckerfrei-Kampagne und damit so erfolgreich, dass die Briten ab 2018 eine Zuckersteuer zahlen. Firmen süßen bereits ihre Produkte weniger.

In Neuseeland stößt das nicht nur auf Begeisterung. Denn was Unicef verschweigt: Die Rate der Schwergewichtigen ist unter Maori und Südsee-Insulanern am höchsten. Und die zählen nicht zu den Reichsten im Lande. Eine Zuckersteuer bestrafe nur die Armen, heißt es.

Doch eine Studie aus Australien hat gerade belegt, dass das eine Milchmädchenrechnung ist: Eine Steuer von zwanzig Prozent Aufschlag würde zwar die Haushaltskosten der Cola- und Limo-Säufer hochtreiben, aber rund eine Milliarde Euro jährlich an Gesundheitskosten einsparen. Und die gesamte Bevölkerung Australiens würde dadurch zusammengerechnet 175.300 Jahre länger leben. Unsterbliche Australier? Das klingt für einen Kiwi eher nach „bad news“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!