Portfolio Die Fotografin Amélie Losier ist nach Ägypten gereist, um dort Frauen zu fotografieren. Ihre Arbeit zeigt, wie diese dort leben – und wie sie es trotz aller Widrigkeiten vermögen, sich gegen ihre Unterdrückung zu stemmen: Sayeda, das a so offen, das e beseelt und leicht
von Waltraud Schwab
Sayeda ist ein Vorname für Mädchen in arabischen Ländern. Ein Name wie gesungen, weiche Konsonanten, klingende Vokale, das a so offen, das e beseelt und leicht. Dann allerdings wird die Übersetzung ins Deutsche gesucht – Sayeda, das heißt: die Frau. Ein Wort wie eine Verletzung, ein trockener, scharfer Laut im Maul. Wer soll da verstehen, dass Frauen in Deutschland es doch irgendwie geschafft haben, sich in Ansätzen eine gleichberechtigte Wahrnehmung zu erkämpfen (wenngleich manchmal nur auf dem Papier), den Frauen in Ägypten aber die Gleichberechtigung nicht als Geschenk in die Wiege gelegt wird? Ist auf den Klang der Sprache kein Verlass?
„Sayeda“ heißt ein Projekt der in Berlin lebenden, vielfach ausgezeichneten Fotografin Amélie Losier. Sie hat Frauen jeden Alters, aller Schichten in Ägypten in ihren privaten Umfeldern porträtiert. Sie zeigt sie in bescheidenen Zimmern oder opulent möblierten, auf blumengemusterten Kissen oder gepolsterten Sesseln, mit Schleier oder ohne. Ihre Gefühle sind in ihren Augen zu lesen, ihre Geschichten in Interviews.
Amélie Losier reiste für dieses Projekt seit 2014 mehrfach für Wochen nach Ägypten. Die Revolution, die 2011 begann, die den Muslimbruder Mursi an die Macht gebracht hatte und wieder stürzte, war schon vorbei. Von der Revolution war eine Militärdiktatur übrig. Jenseits der großen Umwälzungen allerdings wurden die Vergewaltigungen auf dem Tahrirplatz in Kairo, die während der revolutionären Platzbesetzungen dort zuhauf stattgefunden hatten, allmählich öffentlich.
„Ich war vorher nie in einem arabischen Land“, sagt Amélie Losier. Dass es nun Ägypten war, war fast zufällig. Sie hatte sich mit einer Ägypterin angefreundet, und sie hatte das Buch „Warum hasst ihr uns so“ der ägyptisch-US-amerikanischen Journalistin Mona Eltahawy gelesen, das von der Frauenverachtung in arabischen Ländern berichtet. „Da ich selbst eine Frau bin“, war ihr, einmal in Kairo, klar: Auch hier wird sie Frauen ins Zentrum ihrer Arbeit stellen, wie sie es andernorts getan hatte.
Nun legt sie ein Portfolio vor, das die kulturelle, traditionelle, strukturelle Unterdrückung der Frauen in Ägypten thematisiert, indem mit licht- und farbstarken Porträts deutlich wird, mit wie viel Fantasie und Vehemenz, mit wie viel Subversion, Durchhaltevermögen und Zuversicht sich die Frauen dagegen stemmen. Jede der Porträtierten findet Wege, sich ihres Werts und ihrer Selbstachtung zu versichern in dem, was sie tut – sei es, dass Mütter ihre Töchter nicht beschneiden lassen, dass Frauen sich selbstständig machen – auch in Männerberufen –, dass Mütter Söhnen und Töchtern gleiche Ausbildungen ermöglichen, dass sich Frauen von gewalttätigen Männern trennen. „Wir brauchen eine Frauenrevolution“, sagt Nour, die Taxifahrerin.
Amélie Losier: „Sayeda – Frauen in Ägypten“ erscheint im Oktober bei Nimbus Kunst und Bücher
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