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Depart Die Landeshauptstadt Düsseldorf erhofft sich vom Start der Tour de France Touristen, Einnahmen und ein sportliches Image. Realistisch sind aber Proteste gegen Braunkohleabbau und DauerregenUlle, Bagger und die Rechtsparteien

Polizei und Poncho: Mit Regencapes reagiert das Tour-Merchandise auf das Wetter Foto: dpa

Aus Düsseldorf Bernd Müllender

Tonhalle, der Rhein, Joseph-Beuys-Ufer. Hier werden die Toursprinter vorbeifliegen am Samstagnachmittag. Absperrgitter und Pylone stehen schon zu Tausenden bereit, erste mobile Buden rücken an. Im Ehrenhof legen Gerüstbauer letzte Hand an eine große Bühne, Hubkräne recken sich, es piept überall: Heute Abend wird hier Kraftwerk aufspielen vor 15.000 Eintrittskartenglücklichen. Daneben, im NRW-Forum, freut sich der grüne Bürgermeister Günter Karen-Jungen grußwortend auf das „große sportliche und gesellschaftspolitische Ereignis“. In dem Forum läuft die Ausstellung „Mythos Tour de France“. Ikonen, Helden, Dramen und „aufgeladene Orte“ werden „in gewaltigen Bildwelten“ gezeigt. Tatsächlich, was Starfotografen wie Andreas Gursky oder Robert Capa (Fotoserie von 1938) zeigen, ist atemberaubend. Oder der Belgier Stephan Vanfleteren. Er präsentiert legendäre Pedaleure wie Andrea Carrea, Johan Mu­seeuw und natürlich Eddy Merckx in überlebensgroßen schwarz-weißen Porträtbildern als zerfurchte gealterte Männer.

Merckx, Jahrhundertsportler im radverrückten Land, hatte seine erste Tour am gleichen Tag 1969 gewonnen, als ein Amerikaner als Erster auf dem Mond herumtrampelte: Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer Ritt für Belgien.

Der aufgeladene Ort Düsseldorf wird ekelhaft nass heute beim Grand Départ der 104. Tour de France. Zum Zeitfahren ab 15 Uhr 15 über 14 Kilometer ist Dauerregen angesagt. Werbetechnisch und tourismustaktisch ist das maximal schlecht. Zwei Millionen Neugierige waren prognostiziert, sicher werden Hunderttausende lieber den trockenen Bildschirm vorziehen. Mäßig gute Aussichten für Kneipen, Altbierausschütter, Souvenirhändler.

Auch gar nicht schön für die Landeshauptstadt, die die Kosten über Steuereinnahmen zu refinanzieren trachtet. 13 Millionen Euro hat die Stadt angegeben für das Spektakel, allein 4,5 Millionen Lizenzgebühr gehen an die französischen Tourveranstalter. Details bleiben geheim. Im Stadtrat hatte es 2015 heftige Debatten gegeben, wobei Thomas Geisel, der SPD-OB, mit Rot-Grün gekämpft hatte wie auf einer Bergetappe in den Pyrenäen: Am Ende reichte es für ein Fotofinish von 40:39 Stimmen; die entscheidenden Voten kamen von zwei Männern von AfD und „Republikanern“.

Das gesellschaftspolitische Er­eignis gibt es also nur mit stramm rechtem Segen. Doch das will keiner mehr hören. Wichtig ist ja der Sport. Und die Spritzen und Pillen? Schnee von vorgestern, längst im kollektiven Gedächtnis weggetaut.

Das „gesellschaftspo­litische Ereignis“ kam nur mit den Stimmen von AfD und „Repu­bli­kanern“ in die Stadt

Jan Ullrich ist auch dabei. Der einzige deutsche Toursieger (1997), längst dopingverurteilt, ist eigentlich eine persona non grata in der deutschen Radwelt. Die Stadt Korschenbroich, in der Berti Vogts lebt, ficht das nicht an; man habe am Sonntag zur Durchfahrt der 2. Etappe von Düsseldorf nach Lüttich „Herrn Ullrich verpflichtet“, heißt es. Zum Interviewevent auf dem Marktplatz. Ulrich spiegele „als Person die Höhen und Tiefen des Profiradsports in den vergangenen 20 Jahren“ wider, so die stolze Stadt. Gewiss könne mit ihm auch über die Schattenseiten des Radsports geredet werden. Danach: Ulles Auto­grammstunde.

Ein paar Minuten später wird das Peloton am Tagebau Garzweiler vorbeirasen, einige Kilo­meter direkt entlang der Abbau­kante. Dort warten Ak­ti­vis­tIn­nen vom Bündnis gegen Braunkohle auf die Radler. Man wolle die Tour nicht behindern, heißt es, sondern nur begrüßen mit Transparenten wie „Coal kills“, Kohle tötet. Es gelte, auf die Folgen der Braunkohle aufmerksam zu machen. Eine Stunde später, in Aachen, sind ähnliche Aktionen geplant. Eine Begrüßung haben auch schon die RWE-Monsterbagger in den Kies geschüttet – mit Silhouetten aus Kohle von Radler und Eiffelturm in der Größe von zwei Fußballfeldern, aus Flugzeugen erkennbar.

Endlich eine sinnvolle Kohle­verwendung. Wäre ohnehin eine charmante Idee gewesen, die Etappe quer durch das rheinische Kohleloch zu führen, das größer ist als ganz Bonn und doppelt so tief wie der Kölner Dom hoch – mit zünftigem Bergzeitfahren, steilwändeaufwärts. Das hätte Mythospotenzial. L’ Alpe d’Huez wäre dagegen eine Flachstrecke.

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