: Kurden gegen Araber
Gerüchte-Küche
Am Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Bremen der Prozess wegen Totschlags gegen drei Männer, die in der Silvesternacht einen 15-jährigen Geflüchteten aus Syrien in Bremen-Lüssum getötet haben sollen.
Der Fall hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die Süddeutsche Zeitung berichtete über den „Problemstadtteil“ Lüssumer Heide im Bremer Norden. Der gelte „als sozialer Brennpunkt, kommt damit aber eigentlich gut zurecht. Der gewaltsame Tod eines Flüchtlings stellt alles infrage.“ Das ist vielleicht ein bisschen dick aufgetragen – vielleicht aber auch nicht.
In der Tatnacht soll eine Frau mit dem 15-jährigen Odai K. Silvesterraketen abgeschossen haben. „Sprecht ihr arabisch?“, seien die beiden von mehreren Männern angesprochen worden. Nachdem sie bejaht hatten, erhielt sie einen Faustschlag ins Gesicht, der Junge flüchtete in ein Ladenlokal. Doch die Täter folgten ihm und prügelten auf ihn ein. Im Krankenhaus wurden Messerstiche, Wunden, die von abgebrochenen Flaschen stammen, und unzählige Schläge diagnostiziert. Odai K. starb wenig später an seinen schweren Kopfverletzungen.
Die Polizei verhaftete zwei Männer „aus dem kurdischen Kulturkreis“, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Und außerhalb der offiziellen Verlautbarungen brodelt die Gerüchteküche: Am Rande der Trauerfeier für Odai K. wurde die PKK verdächtigt, Konflikte zwischen in Lüssum lebenden jesidischen Kurden und Muslimen als mögliches Tatmotiv genannt.
Die Familie des toten Jungen zog fort aus der Lüssumer Heide: Sie fühlte sich von den in der Nachbarschaft lebenden Familien der Tatverdächtigen – Mitte Januar wurde ein weiterer Mann verhaftet – bedroht und von der Polizei im Stich gelassen: So berichtete Odai K.s Schwester, dass ein Auto auf sie zugerast sei und die Insassen ihr gedroht hätten. Es habe sich bei den Männern um Angehörige der Verdächtigen gehandelt. Sie habe das der Polizei gemeldet, aber die habe nichts unternommen. 80 NachbarInnen veranstalteten eine Soli-Demo für die Familie von Odai K.
Und dann gab es da noch einen Mann, der vor drei Jahren in der Bremer Neustadt Opfer eines Axt-Angriffs geworden war. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Er wisse aber, behauptet der Mann, dass sie zu derselben „jesidisch-kurdischen Großfamilie“ gehörten wie die mutmaßlichen Mörder von Odai K.
Was ist Wahrheit, was Vermutung? Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen die drei Männer – vielleicht wird er ein wenig Licht in die Gerüchteküche bringen. schn
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