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Kolumne EierKnetmasse für Ken!

Männer haben Angst vor dem Penis-Talk. Warum wir das ändern und den nachfolgenden Generationen ihre Genitalien zurückgeben müssen.

Sechs der 15 neuen Looks von Ken. Unten sind alle gleich Foto: ap

P enis! Pardon, dass Sie sich jetzt an Ihren Frühstücksflocken verschluckt haben. Greifen Sie Ihre Perlenkette ruhig noch etwas fester, wir sprechen heute über den Penis. Und ich werde keine niedlichen Synonyme benutzen. Nur Penis. Penis. Penis. Penis. In dieser Woche sind neue Ken-Puppen rausgekommen. Sie haben nach wie vor keinen Penis. Mein Kollege M. findet das fortschrittlich, weil es queer sei. Ich finde es eine Schweinerei. Es ist ja nicht so, dass Ken eine Vulva hätte – er hat einfach nichts. Und keine Genitalien haben ist nicht queer.

Mit seinen Genitalien ein freundschaftliches Verhältnis haben ist queer. Wenn man bei Kinderspielzeug einfach Körperteile weglässt, macht das diese Körperteile zum bedrohlichen Terrain. Und davon erholt man sich nur schwer. Wenn ich vor dem Haus dieser Zeitung sitze, an dem ein mehrere Stockwerke hoher Penis angebracht ist (die Geschichte dazu kennen Sie bestimmt), passiert immer wieder Folgendes:

Eine Gruppe Männer kommt vorbei, bleibt stehen, guckt den Penis an, guckt sich untereinander an, und lacht dann so eine gequälte Lache, keine Ich-amüsier-mich-Lache, sondern eine Ich-wäre-gerade-lieber-nicht-hier-Lache. Denn kein Mann kann einen überlebensgroßen Penis anschauen, ohne sich instinktiv zu wappnen dafür, dass gleich Penistalk kommen könnte.

Zu klein, zu dünn

Bei Penistalk kann man nur verlieren. Männer haben mehr Angst davor, dass ihr Penis zu klein, zu dünn, zu falsch sein könnte, als bei jedem anderen Körperteil. Außer natürlich sie haben Angst davor, dass ein anderes Körperteil zu klein, zu dünn, zu falsch sein könnte, weil Menschen dann darauf schließen könnten, dass ihr Penis zu klein, zu dünn oder zu falsch ist. Woher ich das weiß? Ich habe keinen besonders großen Penis.

Obwohl man fast nie welche zu sehen kriegt, sind Penisse irgendwie heilig. Irgendwann hat die Menschheit beschlossen, dass sie den Penis lieber nicht zeigen oder beim Namen nennen will, ihn dafür aber über Andeutungen, Metaphern und Bananen ständig im Gespräch halten muss. Ich könnte mal ein paar KulturanthropologInnen fragen, wie das eigentlich kam. Aber KulturanthropologInnen kommen mir meistens nicht schnell genug auf den Punkt.

Jedenfalls geht es uns immer noch so, dass wir den Penis nicht als ein Organ sehen, das manche Menschen eben haben, sondern als mystisches Artefakt. Auch noch im dritten Jahrtausend nach Maria Magdalena reden wir über die Größe der Hände des Typen, der gerade Amerika regiert, weil uns das vielleicht Auskunft über die Größe seines Penis gibt, weil die uns wiederum vielleicht Auskunft über seine Führungsqualitäten gibt (psst … erstens: Tut sie nicht; zweitens: Hat er keine – wussten wir). Wir werden nervös wegen eines Hauswandpenis und twittern unschuldiges Obst und Gemüse als Ersatz für ein Körperteil, das wir viel zu wichtig nehmen.

Wir müssen den nachfolgenden Generationen ihre Genitalien zurückgeben. Irgendwo auf der Welt bastelt gerade ein kleines Kind seiner Ken-Puppe aus Knetmasse Penis und Hodensack, weil ihm da was fehlt. Dieses Kind ist unsere Zukunft.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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