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Energiegeladene Konflikte

Bürgerbeteiligung Alle wollen die Energiewende, aber niemand in seiner Nachbarschaft. Werden Chancen und Möglichkeiten der Kommunikation genutzt, steigt die Akzeptanz

Naturschutz? Na klar! Aber warum gerade hier? Foto: Saba Laudanna

Von Kristina Simons

Die Energiewende bekommt in Deutschland starken Rückenwind. Laut einer Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) von September 2016 stehen hierzulande 93 Prozent hinter dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Und dennoch kommt es immer wieder zu Protest und Widerstand. „Viele Konflikte entstehen genau dort, wo politisch abgestimmte Klimaziele, Planungsverantwortung und Gemeinwohlaufgaben, Schutzziele von Natur und Landschaft und individuelle Anliegen aufeinandertreffen – nämlich vor Ort“, sagt Bettina Knothe, Abteilungsleiterin Konfliktberatung beim Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE).

Wie Untersuchungen der Forschungsgruppe Umweltpsychologie an der Universität des Saarlandes bestätigen, resultiert Ablehnung meist aus persönlichen Bedenken und Befürchtungen: Werden unangenehme Gerüche von der nahen Biogasanlage ins Wohngebiet herüberwehen, wird die Anlage Böden und Gewässer verschmutzen? Werden die Windräder Lärm und Schatten verursachen, die Landschaft verschandeln und den Wert meines Grundstücks mindern? Wie steht es um Natur- und Artenschutz in dem betroffenen Gebiet? Mangelnde Akzeptanz kann aber auch darin begründet sein, dass die Menschen vor Ort das Gefühl haben, dass Vor- und Nachteile, Kosten und finanzieller Nutzen ungerecht verteilt sind, die Betreiber auf der Gewinner-, sie selbst auf der Verliererseite stehen. Aus diesem Grund setzen manche Bundesländer auf die Beteiligung der Anwohner an derartigen Projekten, sei es in finanzieller Hinsicht oder sogar bei der Planung einer neuen Anlage. Nordfriesland ist dafür ein Paradebeispiel: Rund 90 Prozent der Windkraftanlagen hier sind in Bürgerhand. Das sorgt nicht nur für große Akzeptanz, die Menschen verdienen auch am Wind.

Werden die Windräder Lärm und Schatten verursachen, die Landschaft verschandeln und den Wert meines Grundstücks mindern? Ablehnung resultiert meist aus persönlichen Bedenken und Befürchtungen

Doch allzu häufig werden die betroffenen Bürger überhaupt nicht beteiligt oder sie sollen ein längst beschlossenes Projekt eigentlich nur noch abnicken. „Zu dem Zeitpunkt, wenn konkrete Konflikte lokal aufflackern, geht es meist schon gar nicht mehr um das Ob eines Projektes, sondern nur noch um das Wie“, so Knothe. Genau dann kommen Mediatoren ins Spiel. Das KNE unterstützt im Auftrag des Bundesumweltministeriums als neutraler Ansprechpartner Akteure vor Ort dabei, die Erneuerbaren im Einklang mit dem Naturschutz und im Konsens mit den Bürgern vor Ort auszubauen. Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) engagiert sich seit einigen Jahren im Bereich Umweltmediation, ebenso der Förderverein Mediation im öffentlichen Bereich. Auch verschiedene Büros für Mediation oder Konfliktmanagement fokussieren sich inzwischen auf Konflikte im Zusammenhang mit der Energiewende. Im Unterschied zu privaten, persönlichen Konflikten ist Mediation bei der Umsetzung von erneuerbaren Energien öffentlich. „Es werden ökonomische, strukturelle und gesellschaftliche Verhandlungen geführt, jedoch in größerem Stil und mit Auswirkungen, die über die persönlichen Belange hinausgehen“, erläutert Knothe. „Mediatoren bringen hier eine ganze Reihe von Akteuren an einen Tisch und in die Verhandlung: Institutionen und Verwaltungen, zivilgesellschaftliche Interessengruppen beispielsweise aus Natur- und Artenschutz oder Landschaftspflege, lokale Bürgerinitiativen und engagierte Bürger.“ Auf der konkreten Ebene vor Ort gehe es dann vor allem darum, für alle Beteiligten den größtmöglichen Nutzen und den kleinstmöglichen Schaden auszuhandeln. „Auch, wenn Anlagen trotz Protesten schließlich genehmigt und gebaut werden, sollten alle Chancen und Möglichkeiten der Kommunikation genutzt werden, sollten Kritiker ihre Argumente trotz allem vortragen können und sich alle an der Maßnahme Beteiligten damit auseinandersetzen“, rät Knothe. „Andernfalls schwelen die Konflikte auf lange Sicht in allen politischen Prozessen in der Kommune weiter.“ Nach Erfahrung des KNE sind Unternehmen oftmals zu Zugeständnissen bereit und Kritiker erkennen und akzeptieren im konkreten Fall häufig die Grenzen ihrer Forderungen dann, wenn ihre Bedenken und Interessen gehört werden.

Ein gelungenes Beispiel dafür ist das hessische Alsfeld, wo im vergangenen Jahr ein lange währender Konflikt um den Bau eines Windparks mithilfe eines Mediationsverfahrens durch das Beratungsunternehmen IFOK geschlichtet werden konnte. Das Regierungspräsidium Gießen und die Stadt Alsfeld hatten die Mediation im Sommer 2014 initiiert. Am Ende gab der Projektentwickler, die Windenergie Wenger-Rosenau, seine Baugenehmigungen für acht Windenergieanlagen auf einer sogenannten Fledermausfläche zurück und wich auf eine alternative Fläche aus, die während der Mediation als geeigneter Standort identifiziert wurde. „Während es in Gerichtsverfahren in der Regel Gewinner und Verlierer gibt, hat das Mediationsverfahren gezeigt, dass trotz Kontroversen im Dialog auch neue Lösungswege erarbeitet werden können“, so das Fazit von IFOK-Mitgeschäftsführer Michael Wormer. Obwohl oder gerade weil das ein oder andere Zugeständnis dazugehört habe, hätten alle Beteiligten die für sie wichtigsten Punkte erreichen können. Bettina Knothe vom KNE sieht in derartigen Verfahren auch eine weitere Chance: „Für Kommunen bedeutet das dann vielleicht auch, aus Konfliktsituationen zu lernen und bei zukünftigen Planungs- und Aushandlungsprozessen ihre Kommunikations- und Beteiligungsstrategie entsprechend zu gestalten.“

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