: Es kracht in der Asse-Gruppe
Atommüll Vier Verwaltungsbeamte der Asse-2-Begleitgruppe wollen ein neues Gremium gründen. Bürgerinitiativen befürchten, dass der Prozess so ins Stocken gerät
von Reimar Paul
Lange Zeit galt der Beteiligungsprozess zur Schließung des maroden Atommülllagers Asse als beispielhaft. Doch jetzt knirscht es gewaltig in der Asse-2-Begleitgruppe. Bürgerinitiativen und Vertreter von Kommunen streiten heftig über die künftigen Strukturen des Gremiums und den Umgang miteinander.
Die Begleitgruppe war Ende 2008 installiert worden, kurz vor dem Betreiberwechsel für die Asse vom Helmholtz-Zentrum zum Bundesamt für Strahlenschutz. Die Gruppe soll laut Satzung die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus dem Bergwerk und die entsprechenden Maßnahmen der Behörden kritisch begleiten. Zu ihr gehören die Hauptverwaltungsbeamten der Region, Vertreter des Wolfenbütteler Kreistags sowie Umweltverbände und Bürgerinitiativen. Die vier Mitglieder der Initiativen entsendet deren regionaler Dachverband, der Asse-II-Koordinationskreis.
Die Begleitgruppe soll sich in der Regel zweimal pro Quartal zum Austausch treffen. Viermal jährlich tagte außerdem zudem eine um Vertreter von Bundes- und Landesbehörden erweiterte Runde. Die Begleitgruppe arbeitet ehrenamtlich, erhält vom Bundesumweltministerium aber Mittel für ein Sekretariat und Öffentlichkeitsarbeit. Ebenfalls vom Ministerium finanziert wird eine Gruppe unabhängiger Wissenschaftler, die die Begleitgruppe fachlich berät.
Viele Jahre lang habe die Zusammenarbeit recht gut funktioniert, sagt Andreas Riekeberg, einer der Sprecher des Asse-II-Koordinationskreises. Auch bei kontroversen Meinungen habe sich immer wieder eine gemeinsame Position finden können.
Doch jetzt hätten deren Vorsitzende, Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD), und die drei BürgermeisterInnen der von der Asse betroffenen Samtgemeinden einen neuen Strukturvorschlag lanciert. Riekeberg sieht statt des runden Tisches eine „Vielzahl von neuen Gremien mit einem Wirrwarr von Verbindungen untereinander“. Eine kritische Begleitung der Rückholung des Atommülls und der Schließung der Asse werde damit enorm geschwächt.
Die Hauptverwaltungsbeamten wollen eine eigene Gruppe bilden. Nach Ansicht von Kritikern wollen sie sich damit mehr Einfluss sichern.
Die Bürgerinitiativen sollen sich mit Landvolk, Kirchen und Gewerkschaften vereinigen. Als Verbindungsglied ist eine Vermittlungsstelle vorgesehen. Der Vorschlag des Koordinationskreises sieht dagegen gemeinsame Treffen aller Beteiligten vor.
Das ehemalige Salzbergwerk Assewurde zwischen 1967 und 1978 mit radioaktiven Abfällen befüllt. Weil die Grube voll Wasser zu laufen droht, sollen die 126.000 Fässer nach Möglichkeit an die Oberfläche geholt werden.
Verschiedene Gremien sollen den Prozess transparentmachen und zuvilgesellschaftliche Mitwirkung garantieren.
Die Asse 2-Begleitgruppesoll die Rückholung des Atommülls und die Schließung des Bergwerks kritisch begeleiten. In dem 2008 installierten Gremium arbeiten KommunalpoliktikerInnen sowie VertreterInnen von regionalen Bürgerinitiativen und Umweltgruppen zusammen.
Der Asse-II-Koordinationskreisist der Dachverband dieser Bürgerinitiativen sowie von einigen SPD-Ortsgruppen. Er entsendet vier Vertreter/innen in die Begleitgruppe und organisiert auch den außerparlamentarischen Widerstand gegen den unsachgemäßen Umgang mit Atommüll.
Zum letzten Sitzungstermin seien die vier Hauptverwaltungsbeamten der Sitzung der Asse-2-Begleitgruppe nicht gekommen, kritisiert Riekeberg. Sie hätten sich dem internen Gespräch über die vorliegenden Modelle für eine Weiterentwicklung der Struktur der Begleitgruppe verweigert. Auch eine für Dienstag vorgesehene Runde mit Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) sagte die Landrätin ohne Begründung ab. „Als VertreterInnen von Bürgerinitiativen finden wir es höchst befremdlich, dass vier staatliche Beamte sich dazu berufen fühlen, eine neue Struktur für eine Bürgerbeteiligung durchzusetzen“, so Riekeberg. Eine Änderung der Asse 2-Begleitgruppe könne jedoch nur durch die stimmberechtigten Mitglieder beschlossen werden.
Landrätin Steinbrügge ging auf Anfrage nicht inhaltlich auf diese Vorwürfe ein. Sie warf den Bürgerinitiativen stattdessen vor, die Vorschläge der Verwaltungsspitzen publik gemacht zu haben. „So wie bisher geht es nicht weiter“, sagte sie. „Wir werden nach diesem Vertrauensbruch nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Sie und die kommunalen VertreterInnen wollen an ihrem Vorhaben festhalten.
Andreas Riekeberg dagegen fordert eine öffentliche Diskussion. Bei dem Konflikt geht es nach Ansicht des Koordinationskreises um mehr als einen Streit in der niedersächsischen Provinz. Vielmehr stelle sich für alle Beteiligungsprozesse bei umweltrelevanten Großprojekten die Frage: „Kann sich die Bevölkerung darauf verlassen, dass etablierte Regeln gelten? Oder können lokaleBeamte willkürlich Regeln einführen, wenn die bestehenden Gremiennicht in ihrem Sinne funktionieren?“
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