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Als Single unterwegsHelp Me, Ronda!

Diese Stadt ist auf Felsen gebaut, doch wie immer, wenn ich alleine reise, kam auch diesmal schnell der Gedanke auf: Was mache ich hier eigentlich?​

Die weiße Stadt Ronda in Andalusien Foto: imago/Luis Carballo

„How brave you are to travel alone.“ Die Amerikanerin nickte mir anerkennend zu. Ihr Ehemann lächelte ebenso. Ja, vielleicht war ich das – mutig. Denn wie immer, wenn ich alleine reise, kam auch diesmal schnell der Gedanke auf: Was mache ich hier eigentlich?

Das Ehepaar aus Idaho, beide circa Anfang 50, war wie ich via Berlin nach Málaga gekommen. Berlin fanden sie schön – aber auch grau und schmutzig, und die Luft war schlecht. Während sie von ihren Deutschlanderfahrungen erzählten, schaute ich melancholisch aus dem Fenster auf die heterogenen Ausläufer der andalusischen Küstenstadt und dachte über das Reisen nach, über die Liebe und die Kommunikation. Ja, ich war allein unterwegs. Und ja, man kann sich dabei schnell recht einsam fühlen.

Umso wichtiger ist es, mit technischen Mitteln die Verbindung zu halten. Die Verbindung zu denen zu Hause. Wie das junge Leute machen, führten mir anderntags drei japanische Austauschschülerinnen in der herausgeputzten Centro Histórico, der Altstadt von Málaga vor: Sie schickten permanent kleine Schriftzeichen durch die Welt, machten Selfies und Gruppenfotos, starteten einen Live-Chat – und standen doch im ständigen Kontakt mit der Umgebung.

Mein Hotel lag irgendwo abgeschieden in der Nähe eines Kanals. Etwas trist, aber billig, und für die Umstände völlig okay. Der Fernseher, der wie üblich etwas ungünstig von der Decke hing, wies immerhin drei deutsche Programme auf. Es gab einen Getränkeautomaten im Flur und WLAN.

Nachts lag ich lange wach. Einsam und wach. Eine Spanierin redete unablässig im Nebenzimmer. Vielleicht telefonierte oder skypete sie. Später, so gegen zwei Uhr, war, aus einem anderen Zimmer, weibliches Stöhnen zu hören. Eine Frau stöhnte gleichmäßig, ohne Steigerung, dafür recht lange. Ich glaube nicht, dass die Frau alleine war. Man hört nämlich meist nur – ich erinnere mich an ein Paar in einem Hostal in Barcelona – die Frau. Männer stöhnen nicht.

Nach zwei, drei Tagen Málaga fuhr ich mit dem Fernbus weiter, nach Ronda, eine Strecke, die etwa zweieinhalb Stunden in Anspruch nimmt. Ich saß gut, bequem, klimatisiert und von sanfter Radiomusik umsäuselt auf meinem Platz.

Ronda

Dort beobachtete ich einen Mann zwei Reihen vor mir. Helles Holzfällerhemd, eckige Brille, Halbglatze, die wenigen Haare auf großväterlicher Länge. Er sah aus wie ein Baby, das aussah wie ein alter Mann. Er war in Begleitung zweier Frauen, die in der Reihe vor ihm saßen und schliefen. Einer älteren, einer jüngeren. Mutter, Freundin, vielleicht.

Das Mannbaby war, so vermutete ich, ein Geschäftsmann auf Reisen, ein Banker in Freizeitkleidung. Ich überlegte lange, was mich an seinem Anblick so faszinierte. Vielleicht war es das: Obwohl ich ihn für einen Trottel hielt, sah er irgendwie glücklich aus. Eben babyhaft glücklich. Er schien irgendetwas in seinem Leben sehr richtig gemacht zu haben.

Ja, ich war allein unterwegs. Und ja, man kann sich dabei sehr schnell recht einsam fühlen

Reist man allein, rücken Details heran, die man sonst nie beachtet hätte. So traf ich die Japanerinnen beschäftigt mit dem Smartphone in Ronda wieder. Ronda ist eine zuerst unscheinbare Kleinstadt, die sich unvermittelt in ein unwahrscheinliches Felsenburgidyll mit Riesenschlucht verwandelt.

Ein typisch andalusisches, weißes Bergdorf mit inzwischen 36.000 Einwohnern irgendwo im montanen Nichts. „Weiß“, weil: Alle Häuser sind weiß. Sogar die Bäume sind weiß. Und die Autos. Nur die Menschen nicht, zumindest nicht im Februar, denn die kamen hauptsächlich aus Japan.

Geteilt wird das Städtchen durch eine gewaltige Schlucht, in die irrerweise eine wirklich irre Steinbrücke gebaut wurde, die Neue Brücke über der Tejo-Schlucht, ungefähr 200 Meter hoch. Sie verbindet den jüngeren, unspektakulären Teil El Mercadillo mit dem kleineren, aber historischen Teil La Ciudad.

Genau wegen dieser Brücke waren sie alle hier. Von der Brücke aus hat man nicht nur einen prächtigen Blick in die Tiefe, in der ein kleines Flüsschen, der Río Guadalevín, kaum erkennbar ist. Nein, man kann auch prima sehen, auf welchen Steinen Ronda gebaut ist. Diese Stadt ist wirklich auf Felsen gebaut, in Felsen hinein, die von nahem wie weitem aussehen wie die Zähne von Giganten. Ronda lässt also tief blicken, auch im angeschlossenen Park.

Für Leute mit Höhenangst ist das natürlich nichts. Obwohl auch die sich umschauen können. Es gibt nämlich eine berühmte Stierkampfarena, vor deren Toren die Asche von Orson Welles verstreut wurde. Rilke und Hemingway waren schon hier, man erkennt es an den Papiergeschäften und Cafés, die sich nach ihnen benannt haben.

El Mercadillo

Es ist nett in Ronda, besonders, wenn man Kleinstädte mag. Die Einwohner konnten mir zwar nicht sagen, wo sich der nächste Supermarkt befand (und für Google Maps war mein Handy zu klein), unterhielten sich aber gern untereinander. Und fahren gern Auto, auch die kleinen steilen Gassen der Ciudad hinauf. In der Ortsmitte, noch in El Mercadillo, gibt es eine eurotypische Fußgängerzone mit Läden und Gastronomie, die mich mit ihren vorgebauten Plastikzelten irgendwie ein wenig an Holland erinnert.

Im Hostál postete ich, von wegen Kontakt zur Außenwelt, die ersten Fotos und sah mir themengerechte Videos auf YouTube an. The Clash sangen 1980 von „Spanish Bombs in Andalucia“, woraus ich lernte, dass Málaga auch deshalb so verbaut wirkt, weil die Stadt im Spanischen Bürgerkrieg unter franquistischen Bombardements zu leiden hatte. Ronda hingegen fiel recht früh in die Hände der Faschisten. Von den umliegenden Bergen aus gab es aber noch bis in die fünfziger Jahre hinein Widerstand.

Mit den Beach Boys und ihrem Smashhit „Help Me, Rhonda“ von 1965 hat das alles nicht viel zu tun. Da geht es eher um eine Frau. Aber auch ums Alleinreisen:

I come in late at night/ And in the mornin’ I just lay in bed // Well, Rhonda, you look so fine (look so fine) / And I know it wouldn’t take much time / For you to help me, Rhonda / Help me get her out of my heart.“

In der Nacht tobte ein Gewitter. Der Regen prasselte stark auf das Mitteldach des Hostels. Schon wieder lag ich lange wach. Ronda half wohl doch nicht. Am nächsten Morgen reiste ich wieder ab. Allein.

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9 Kommentare

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  • Hätte mir spannendere Gedankengänge oder einen fesselnderen Bericht von diesem Artikel versprochen.

  • 3G
    38057 (Profil gelöscht)

    Wenn ich auf Reisen bin, frage ich mich immer, warum hauptsächlich Männer es sich antun, allein zu reisen. Wenn man nicht wirklich dafür gemacht ist, sollte man es lassen und stattdessen lieber eine Gruppenreise buchen. Es gibt doch wirklich genug interesante Angebote und man hat eine gute Chance nette Leute kennen zu lernen.

  • Liebeskummer ist doof. Gerade, wenn man dann selbstmitleidig aber alleine durch die Welt reist. Wäre die Liebste doch dabei ...

     

    Ronda ist eine sehenswerte Stadt, wenn auch etwas touristisch verdorben.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    El Mercadillo

    "In der Ortsmitte, noch in El Mercadillo, gibt es eine eurotypische Fußgängerzone mit Läden und Gastronomie, die mich mit ihren vorgebauten Plastikzelten irgendwie ein wenig an Holland erinnert."

     

    Und warum fragt Hamann die Einwohner nach dem nächsten Supermarkt?

    Da kann auch Rhonda nicht mehr helfen...

  • Um der Empfindungsstudie mal etwas mit geschichtlichen Facts anzureichern.

     

    "…The Clash sangen 1980 von „Spanish Bombs in Andalucia“, woraus ich lernte, dass Málaga auch deshalb so verbaut wirkt, weil die Stadt im Spanischen Bürgerkrieg unter franquistischen Bombardements zu leiden hatte.…"

     

    Mit Verlaub - blanker Euphemismus!

    Legion Condor?!

    Schon mal von gehört - der Jungherr?!

    "Die Legion Condor war eine Luftwaffen-Einheit der deutschen ....

    Die Legion Condor griff in allen wichtigen Schlachten ab 1937 ein: Bilbao, Brunete, Teruel, Ebro-Bogen.

    &

    ….Die Legion Condor war auch am Massaker von Málaga beteiligt, bei dem bis zu 5000 Menschen ums Leben kamen.

    Bomber: Heinkel He 111, Junkers Ju 87

    Kampfflugzeug/ -hubschrauber: Dornier Do 17, Heinkel He 59

    Transportflugzeug/ -hubschrauber: Junkers Ju 52

    Aufklärungsflugzeug/ -hubschrauber: Heinkel He 70, Heinkel He 45, Heinkel He 60, ...

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Legion_Condor

     

    &

    In Spanien ist die Legion Condor vor allem wegen des Luftangriffs auf Guernica bis heute in Erinnerung. Dieser Angriff veranlasste Pablo Picasso, sein bekanntes Werk Guernica zu malen.

    …Von besonderer – auch symbolischer – Tragweite war der Luftangriff auf Guernica am 26. April 1937, bei der die religiöse Hauptstadt des Baskenlandes fast vollständig zerstört und etwa 300 Zivilisten getötet wurden.[4] Innerhalb kürzester Zeit wurden Straßen und Häuserzeilen mit Spreng- und Brandbomben in Schutt und Asche gelegt, deutsche Tiefflieger schossen mit Maschinengewehren auf die flüchtende Zivilbevölkerung. Während 80 Prozent der Gebäude gänzlich zerstört wurden, blieb die Brücke unbeschädigt, die das eigentliche Ziel des Angriffs gewesen sein soll.…"

    • @Lowandorder:

      & nochens - Wo wir grad bei Ronda sind -

      Von Legion Condor schon mal gehört haben &

      wg "Help Me, Ronda!"

       

      Die Spanische Legion (span. Legión Española), die ehemalige spanische Fremdenlegion, ist eine militärische Eliteeinheit der spanischen Streitkräfte. Sie ist besonders entlang der marokkanischen Küste im Einsatz.

      Sie besteht aus der Brigada de la Legión „Rey Alfonso XIII“ (BRILEG) (in Viator/Almeria und in Ronda), der neben dem Stab der Legion (Cuartel General), Artillerie-, Logistik-, Aufklärungs-, Fernmelde- sowie Pioniereinheiten(Zapadores), das Tercio „D. Juan de Austria“, 3° de la Legion (alle genannten Einheiten stationiert in Viator/Almeria), sowie das Tercio „Alejandro Farnesio“, 4° de la Legion (in Ronda) angehören …

      &…

      Nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges 1936 schickte General Francisco Franco seine spanische Legion an die Bürgerkriegsfront, um an der Seite der deutschen Legion Condor zu kämpfen und ermöglichte so die Errichtung einer jahrzehntelangen Diktatur (1939–1975)."

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Legi%C3%B3n_Espa%C3%B1ola

      • @Lowandorder:

        & conclusio & fin

         

        Solche jegliches Kriegsrecht brechenden Mörder als Teilnehmer an diesen Massakern tauchen später dann nicht nur hochdekoriert in der

        Bundeswehr auf! Nein! Nein!

        Sondern als - Harmloser & auf dufte Oberstudiendirektor

        "Häuptling Silberlocke" auf - Hochzeitsfeiern auf! &

        Sind - der einst angeheirateten Familienlegende nach zeitweilige -

        Ziehvater/eltern von - Horst Mahler! &

        Da. Warste/Biste denn schon alllang vor Auslieferung Griechenland über -

        "Die zwei feindlichen Brüder aus demselben Garten!" "Was man bekämpft - wird man auch!" &

        "Back to the roots!" - doch schwer -

        Am Grübeln!

        So geht das.

  • Schön, dass auch jungen Schriftstellern der Raum für Empfindsamkeitsstudien eingeräumt wird.

    • @Frank Stippel:

      Die - Empfindsamkeitsstudien -

      Bleiben auf der Stufe von -

      Empfindungsstudien hängen!

      Leider&nicht ungewöhnlich.