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heute in Bremen„Mehr Parallelen als Brücken“

debatte Über die Lebenswirklichkeit historischer und aktueller Black Community in Deutschland

Even Rosenhaft

65, Professorin für Deutsche Geschichte an der University of Liverpool, zahlreiche Publikationen u.a. zu „Black Germany“und zum antifaschistischen Widerstand („Beating the Facist?“)

taz: Frau Rosenhaft, warum ist die Situation für schwarze Menschen in Deutschland so besonders?

Eve Rosenhaft: Das liegt sehr wahrscheinlich am Bruch des Nationalsozialismus.

Nicht daran, dass die Kolonien schon 1919 hergegeben werden mussten?

Das spielt auch eine Rolle, denn in die erste Black Community in Deutschland sind ab dem Zeitpunkt, anders als beispielsweise in England, kaum noch Menschen zugezogen: Die Einwanderung aus Afrika war mit der Kolonialherrschaft beendet. Allerdings haben diejenigen, die hier waren, hier ganz normal ihr Leben leben können. Die haben hier gearbeitet, Kinder bekommen, manche sogar Enkelkinder.

Sie waren im Begriff, sich zu etablieren?

Die hätten ihre Traditionen aufgebaut. Doch die Entwicklung wurde 1933 beendet. Der Nationalsozialismus hat einerseits versucht, an die Kolonialzeit anzuknüpfen und sie wiederzubeleben. Andererseits hat er die schwarzen Menschen zu Verfolgten gemacht, sie ermordet und zwangssterilisiert. Trotzdem hatten sie nach 1945 große Schwierigkeiten, Entschädigungen zu bekommen, weil das Bewusstsein fehlte, dass es auch schwarze Opfer des Nationalsozialismus gab. Das war wie eine Erinnerungslücke.

Die Diskussion heute soll vom Fall des Johannes Kohl aus Lomé, der 1904 versucht hat, eingebürgert zu werden, Brücken in die Gegenwart schlagen: Ist das überhaupt möglich?

Ehrlich gesagt, sehe ich mehr Parallelen als Brücken: Alles scheint sich zu wiederholen.

Inwiefern?

Die Rassismuserfahrungen, denen schwarze Menschen hier ausgesetzt sind, sind hart. Viele haben das Gefühl, es könne nichts dagegen getan werden. Positiv lässt sich daran anknüpfen, dass sich die Community wieder mehr politisiert: Schon in den 1930er-Jahren gab es eine antikoloniale und antirassistische Bewgung, die als Anfang heutiger politischer Kämpfe anzusehen ist, und sich über die Vernetzung von Schwarzen in Deutschland, Afrikanern und Afroeuropäern als Teil einer globalen Bewegung begreift.

Naja, immerhin wird Rassismus nicht mehr akademisch gelehrt …

Das ist wahr, und als Historikerin sage ich auch, dass im Aufarbeiten die Chance liegt, es besser zu machen. Es hat sich etwas verändert, ich habe auch das Gefühl, dass es besser in Deutschland ist als vor 50 Jahren. Aber das hilft dem nicht, der schlechte Erfahrungen macht: Schlechte Erfahrungen sind halt schlecht. interview bes

„Black Bremen“, 18 Uhr, Stadtbibliothek, Wall-Saal

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